Quelle hat geschrieben:Künstliche Intelligenz : "Eines beherrschen deutsche Firmen überhaupt nicht: Propaganda" Es gibt etliche KI-Experten, die nicht so optimistisch sind. Wenn man sich heutige KI anschaut - Sprach- und Bilderkennung - klappt das oft noch nicht so richtig.
Heutige KIs sind wirklich primitiv. Aber sie sind schon viel besser als das, was wir vor 20 Jahren hatten. 1997 war es zum ersten Mal so, dass der beste menschliche Schachspieler nicht mehr mit dem besten Computerprogramm konkurrieren konnte. Aber damals konnte kein Rechner mit kleinen Kindern mithalten, wenn es darum ging, Flaschen zu erkennen oder Gesichter. Seit ein paar Jahren geht das ziemlich gut.
Welchen Beitrag haben Sie dazu geleistet?
Das bekannteste, was wir entwickelt haben, ist das Long-Short-Term-Memory, also langes Kurzzeitgedächtnis, LSTM, ein rückgekoppeltes neuronales Netzwerk. Ich wollte Anfang der Neunzigerjahre das Problem lösen: Wie baut man so ein rekurrentes Netzwerk, das wirklich etwas lernen kann? Dann hatte ich einen ganz tollen Studenten, den Sepp Hochreiter, der hatte schon in seiner Diplomarbeit 1991 grundlegende Einsichten, wie man diese Netzwerke besser machen kann. 1997 haben wir das publiziert. Dieses LSTM ist das, was heute auf Ihren Smartphones sitzt. Wenn Sie reinreden: "Okay Google, was ist der kürzeste Weg zum Berliner Hauptbahnhof", versteht es das. Alle zehn Millisekunden kommen kleine Zahlen vom Mikrofon in dieses Kunstgehirn, dieses LSTM. Da sind lauter Verbindungen drin zwischen den verschiedenen Neuronen, bisschen so wie in Ihrem Hirn. Zunächst sind diese Verbindungen alle Zufälle, das Netzwerk ist dumm wie ein Baby. Am Anfang kommt Unsinn heraus, aber es lernt aus vielen Beispielen den Unterschied zwischen dem Unsinn und der richtigen Übersetzung zu minimieren, dadurch dass manche Gewichte stärker werden und andere Verbindungen schwächer. Seitdem die Rechner so schnell sind, also seit 2015, macht es die ganze Spracherkennung für Google, auf zwei Milliarden Android-Telefonen, es ist auch auf einer Milliarde iPhones, und Facebook verwendet es zum Übersetzen.
Und was verdienen Sie daran?
Das LSTM ist ein Geschenk an die Menschheit, es wurde finanziert von den bayerischen und den Schweizer Steuerzahlern. Es ist nicht patentgeschützt, jeder kann es verwenden.
Ist das nicht wieder typisch für Deutschland: Wir entwickeln etwas, ähnlich wie beim Musikformat MP3, und woanders wird das große Geld damit gemacht?
Da gibt es noch mehr Beispiele, das World Wide Web ist ja auch eine europäische Erfindung, das hat ein britischer Einwanderer in der Schweiz am europäischen Teilchenbeschleuniger entwickelt. Aber komischerweise sind nicht lauter europäische Venture-Kapitalisten hergekommen und haben investiert. Das große Geld wurde am pazifischen Rand gemacht. Da gibt es eine Venture-Kapital-Szene, aber auch eine Industriepolitik und Steuergelder - im Pentagon und in China -, die sich sehr viel besser eignen, um kleine Start-ups mit einer tollen Erfindung hochzuskalieren.
Was kann Deutschland davon lernen?
Viele von den grundlegenden Algorithmen kommen ja von hier. Der erste, der selbstfahrende Autos hatte, war
Ernst Dickmanns, 1994 war er im Verkehr. Der war auf der Autobahn unterwegs mit 180, dreimal so schnell wie die Google-Autos heute. Und es ist auch heute noch so, dass mehr als 50 Prozent aller Patente der selbstfahrenden Autos in Deutschland beheimatet sind. Eines beherrschen die deutschen Firmen überhaupt nicht: Propaganda. Da sind die Amerikaner viel, viel besser.
Ist es eine Frage der Propaganda oder der Umsetzung? Was nützen all die Patente, wenn selbstfahrende Autos von Google oder Tesla viel schneller gebaut werden?
Das erste wirklich verkaufte selbstfahrende Auto war 2013 die Mercedes S-Klasse, im Stau ist die selber gefahren. Aber die nächste Welle in der KI wird weit größer werden als das bisschen, was wir jetzt gesehen haben mit den Smartphones: Maschinen wollen intelligent werden. Die Felder, in denen Deutschland sowieso schon stark ist - Produktion, Maschinen, die Maschinen bauen - wollen sich verheiraten mit der künstlichen Intelligenz. Der ganze europäische Raum hat da eine unglaubliche Chance. Nur wenn wir es vermasseln, werden wir da nicht Nummer eins sein.