Dashcam

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Vizegott
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Dashcam

Beitrag von Vizegott »

Mein liebes Forenvolk,

wer von Euch hat Erfahrungen mit Dashcam`s. Oder wie ist Eure Meinung dazu.

Ich habe eine Dashcam einmal mit gutem Erfolg vor einem Deutschen Gericht eingesetzt. Wir konnten das Gericht von der Falschaussage eines Unfallgegners überzeugen und der Unfallgegner selbst wurde beim Anblick des Videos recht redselig.

Also wie ist Eure Meinung dazu?
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Provokateur
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Re: Dashcam

Beitrag von Provokateur »

Rechtlich teilweise schwierig, aber im allgemeinen halte ich die Dinger für nützlich - vor allem, seit einer meiner Brüder durch eine von einem LKW herabfallende Eisplatte einen schweren Unfall hatte, den er wie durch ein Wunder nur mit einer schweren Fraktur des Armes überlebt hat.
Den Unfallverursacher konnte man hinterher nicht mehr ausmachen, was mit einer Dashcam natürlich möglich gewesen wäre.
Harry riss sich die Augen aus dem Kopf und warf sie tief in den Wald. Voldemort schaute überrascht zu Harry, der nun nichts mehr sehen konnte.
twitter.com/Provokateur_Tom
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Der Neandertaler
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Re: Dashcam

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Vizegott.
Der Aussage von Provokateur, daß dies "rechtlich teilweise schwierig" sei, kann man nur ausdrücklich zustimmen.
Provokateur hat geschrieben:Den Unfallverursacher konnte man hinterher nicht mehr ausmachen, was mit einer Dashcam natürlich möglich gewesen wäre.
das halte ich allerdings für zweifelhaft ... für fragwürdig!
Einerseits sind Dashcams nämlich hervorragend als Beweismittel geeignet - hervorragend ... theoretisch, andererseit kollidiert eine solche Aufnahme eventuell mit dem Datenschutz ... mit "dem Recht am eigenen Bild". Hier könnte man nun einwenden, daß man ja (beim Auffahrunfall) den Unfallverursacher nur von hinten aufnimmt - klar! Aber selbst das wäre fragwürdig, weil man ja sein Auto ablichtet ... also das Kfz-Kennzeichen auf diesem Bild/Film sieht.

Anfang des Jahres hatte das Amtsgericht Nienburg einen solchen Fall zur Verhandlung.
  • (ging schlagzeilenmäßig durch unseren Blätterwald ... in einschlägigen Zeitschriften: fast propagandahaft.)
Tenor der Frage:
  • ob der Einsatz von Dashcams erlaubt ist - also: die private Aufzeichnung mit einer Kamera (vielleicht zum Zwecke eines eventuellen Unschuldbeweises) beispielsweise durch die Frontscheibe des Autos hindurch, und ob diese Aufnahmen sodann in einem Strafverfahren zugelassen werden (dürfen).
Die erste Frage ist derzeit Gegenstand einer breiten Diskussion in der juristischen Fachwelt und der allgemeinen Öffentlichkeit. Diese Frage regelt aber auch direkt oder indirekt das Datenschutzgesetz ("Recht am eigenen Bild", etc), geht aber auch inetwa aus diesem Urteil hervor.
Bisherige Urteile bezüglich Dashcams gibt es lediglich von Verwaltungs- und Zivilgerichten. Eingangsinstanzliche Urteile dazu liegen vom AG München (06.06.2013: 343 C 4445/13 und vom 13.08.2014: 345 C 5551/14) vor, sowie VG Ansbach (12.08.2014: AN 4 K 13.01634) strafgerichtliche Entscheidungen sind allerdings noch nicht ersichtlich.
In der zweiten Frage (Zulassen im Strafverfahren, etc.) sprach das Gericht etwas deutlicher:
  • den Aufnahmen stand in diesem Fall weder ein Beweiserhebungs-, noch ein Beweisverwertungsverbot entgegen und wurden daher zugelassen - aber nur in diesem Fall.
    • (was wohl einige Freunde der Dashcams im Eifer der fre­ne­tischen Freude übersehen haben!?!)
Wenn also durch den Einsatz von Dashcams das Verkehrsgeschehen kontinuierlich und mit einem großen Bildwinkel alles aufnimmt ("es könnte ja was passieren, was mir zur Last gelegt wird und ..." - Unfällen und/oder Verkehrsverstöße, etc. ... Unschuldsbeweis! ), ... dies ist schon laut Datenschutzgesetz verboten, weil: es werden ja ständig und zwangsläufig auch eventuell Unbeteiligte mit auf die Aufnahmen kommen.
Wenn aber, wie in diesem Fall, "zum Zwecke der Beweissicherung und für den etwaigen Fall eines Zusammenstoßes" die Dashcam erst kurz vorher aktiviert wird, ist dies unter Umständen schon zuläßig - muß allerdings von Fall zu Fall überprüft werden. Das Gericht betonte ausdrücklich, daß die "abstrakte Furcht vor allgegenwärtiger Datenerhebung und dem Übergang zum Orwell‘schen Überwachungsstaat ... nicht dazu führen" darf, "daß den Bürgern sachgerechte technische Hilfsmittel zur effektiven Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung kategorisch vorenthalten werden" darf.

Fazit:
  • solange es also kein verbindliches Urteil eines Bundesgerichtes zu Dashcams gibt, werden wir mit unterschiedlichen Urteilen unterschiedlicher Gerichte leben müssen.
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
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Mithrandir
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Re: Dashcam

Beitrag von Mithrandir »

Das "Recht am eigenen Bild" hat da keine Bedeutung. Rechtlich problematisch wird es normalerweise erst, wenn die Aufnahmen veröffentlicht werden oder weitergegeben werden. Und die Lösung ist einfach: Nicht veröffentlichen oder weitergeben. Das heißt nicht, dass man nicht erwähnen darf, dass eine Aufnahme existiert, so dass die zuständige Behörde das Beweismittel dann einfordern kann.
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Der Neandertaler
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Re: Dashcam

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Mithrandir.
Mithrandir hat geschrieben:Das "Recht am eigenen Bild" hat da keine Bedeutung. Rechtlich problematisch wird es normalerweise erst, wenn die Aufnahmen veröffentlicht werden oder weitergegeben werden. Und die Lösung ist einfach: Nicht veröffentlichen oder weitergeben. Das heißt nicht, dass man nicht erwähnen darf, dass eine Aufnahme existiert, so dass die zuständige Behörde das Beweismittel dann einfordern kann.
Klar:
  • Was ich nicht weiß - macht mich nicht heiß!
Laut §22 KuG ist es das Recht jedes Einzelner darüber zu bestimmen, was mit Fotografien oder anderen bildlichen Darstellungen der eigenen Person in der Öffentlichkeit geschieht. Damit ist erster Linie das Verbreitung oder die Zurschaustellung gemeint - Stimmt! Daß eine Aufnahme von jemandem vorhanden ist, wird auch primär erst bekannt (und man kann dagegen vorgehen), wenn diese veröffentlicht wird - stimmt auch. Da dies aber nie ausgeschloßen werden kann (der Bildmachende kann sich ja erst im Nachhinein dazu entschließen, dies zu veröffentlichen), handelt es sich nach Ansicht des BGH um ein vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht, wodurch sowohl ideelle als auch kommerzielle Interessen des Abgebildeten betroffen sein können. Dem "Recht am eigenen Bild" können andere Grundrechte gleichberechtigt Platz entgegenstehen - etwa die Pressefreiheit oder die Kunstfreiheit.

Pressefreiheit oder ...:
  • Nur weil jemand prominent ist und eventuell ein "öffentliches Interesse" besteht, dies heißt nicht, daß Paparazzi unter Umständen alles und jeden und immer fotografieren dürfen - schon dies könnte eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des betroffenen Prominenten darstellen. (hier kommt es also nicht erst auf die Verbreitung an.)(KG Berlin - 9 U 212/06)
Nebenbei:
  • ein Ablichten anderer Menschen durch Dich oder mich kann unter Umständen auch schon eine Unterlassungs- und Löschungsverpflichtung begründen. (§23 KUG)

Nochmal:
  • daß eine Aufnahme besteht wird erst durch deren Veröffentlichung bekannt. Diese Veröffentlichung wird aber (zumindest vor Gericht) immer unterstellt - wozu würde diese sonst hergestellt?
    • ... vielleicht Erpressung?

Besonders das VG Ansbach (AN 4 K 13.01634) urteilte:
  • "Die schutzwürdigen Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer, nicht permanent durch Videokameras aufgenommen zu werden, würden dabei die Interessen des Klägers an einer Dokumentation von möglichen Verkehrsverstößen überwiegen. "

Wenn man also zwischen den Zeilen liest, ist es schon ein "Recht am eigenen Bild".
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
Skeptiker

Re: Dashcam

Beitrag von Skeptiker »

Morgen wird es wohl eine Entscheidung des BGH geben.
https://www.welt.de/regionales/sachsen- ... -Lupe.html

Persönlich hoffe ich dass, wenn auch nicht schon morgen, dann aber irgendwann einmal der Einsatz permanent im Loop filmender Dashcams gerichtsverwertbar zugelassen wird.
immernoch_ratlos
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Re: Dashcam

Beitrag von immernoch_ratlos »

Skeptiker hat geschrieben:Persönlich hoffe ich dass, wenn auch nicht schon morgen, dann aber irgendwann einmal der Einsatz permanent im Loop filmender Dashcams gerichtsverwertbar zugelassen wird.
Das sehe ich ganz genauso !

Inzwischen zeigt sich ja nicht nur das bloße Filmen der Ereignisse vor einem Fahrzeug ist das Resultat moderner Technologie. Über sog. "Mixed reality" werden die Ereignisse bereits zunehmend technologisch direkt beeinflusst. Tragen also zu dem Verhalten in bestimmten Situationen entscheidend bei. Zukünftige Fahrzeuge werden immer stärker über Kamerasysteme "gelenkt". Da wird ein "Rundumblick" möglich (statt reichlich toter Winkel von Spiegelsystemen) und das Geschehen soll bei späteren Prozessen ausgeblendet werden ? Das ist eine hübscher Anachronismus.

Mit gleicher Motivation könnte man auch die im Flz. üblichen Blackboxen verbieten. Mir jedenfalls stellt sich eher die Frage - wann wird ein solches Gerät zur Vorschrift ? Es wäre sicher blauäugig anzunehmen, es gibt erheblichen technologischen Fortschritt der die gerichtsfeste Beweisführung erleichtern kann, aber keiner nutzt das Mittel, weil ein obskurer Datenschutz das verhindert. Man muss sicher klare Regeln einführen, aber einfach ignorieren kann man das wohl kaum.

Hat man auch nicht :
Quelle hat geschrieben:Urteil aus KarlsruheDashcam-Videos als Beweismittel vor Gericht zulässig

Aufnahmen von Auto-Minikameras können bei Unfällen als Beweis vor Gericht verwendet werden. Dies entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Überraschend ist das Urteil, weil es datenschutzrechtliche Bedenken gab. Versicherungen sind derweil noch skeptisch.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verwendung von Dashcamaufnahmen als Beweismittel vor Gericht zur Klärung von Verkehrsunfällen für zulässig erklärt. "Dashcams dürfen bei Verkehrsunfällen als Beweismittel verwertet werden", entschied der BGH am Dienstag in Karlsruhe. Die Aufnahmen verstießen zwar gegen das Datenschutzrecht. Da aber Unfallbeteiligte ohnehin Angaben zu Person, Versicherung und Führerschein machen müssten, sei dies nachrangig.

Ein Mann aus Sachsen-Anhalt hatte auf vollen Schadenersatz nach einem Unfall gepocht. Nach seiner Darstellung ist ein Auto beim Linksabbiegen auf der daneben verlaufenden Spur auf seine Fahrbahn gekommen und gegen seinen Wagen gefahren. Das sollen Aufnahmen seiner Dashcam belegen. Doch weder das Amts- noch das Landgericht Magdeburg berücksichtigt diese Aufnahmen: Die Aufzeichnung verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen - sie dürfe deshalb nicht als Beweis herangezogen werden.

Verkehrsrechtler fordern generelle Zulassung
Der Verkehrsgerichtstag fordert eine klare gesetzliche Regelung und empfiehlt auf Basis des europäischen Datenschutzrechtes einen „Ausgleich zwischen Beweisinteresse und Persönlichkeitsrecht“. Videos sollten „anlassbezogen“ zulässig sein, etwa bei schweren Verstößen oder einem drohenden Unfall, und ansonsten überschrieben werden. Missbrauch, wie eine Veröffentlichung im Internet, sollte hingegen bestraft werden. „Damit wäre das Interesse an der Unfallaufklärung sichergestellt und auch des Datenschutzes, weil die Aufnahmen nicht permanent abgespeichert werden“, so DAV-Verkehrsrechtler Andreas Krämer.
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Orbiter1
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Re: Dashcam

Beitrag von Orbiter1 »

Da hat der BGH nach meinem Empfinden richtig geurteilt. Der Gesetzgeber sollte dazu auch zügig klare rechtliche Rahmenbedingungen fassen.
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jack000
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Re: Dashcam

Beitrag von jack000 »

Skeptiker hat geschrieben:(14 May 2018, 22:18)

Morgen wird es wohl eine Entscheidung des BGH geben.
https://www.welt.de/regionales/sachsen- ... -Lupe.html

Persönlich hoffe ich dass, wenn auch nicht schon morgen, dann aber irgendwann einmal der Einsatz permanent im Loop filmender Dashcams gerichtsverwertbar zugelassen wird.
Nun, ohne Anlass permanent filmen wird niemals erlaubt sein. Aber in der Tat reicht ja ein kurzer Loop für den Beweis eines Unfalls aus (z.B. 5 Minuten, mit Crash-Sensor)
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Der Neandertaler
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Re: Dashcam

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo immernoch_ratlos.
immernoch_ratlos hat geschrieben: Filmen der Ereignisse ... Tragen also zu dem Verhalten in bestimmten Situationen entscheidend bei. Zukünftige Fahrzeuge werden immer stärker über Kamerasysteme "gelenkt". Da wird ein "Rundumblick" möglich (statt reichlich toter Winkel von Spiegelsystemen) und das Geschehen soll bei späteren Prozessen ausgeblendet werden ? Das ist eine hübscher Anachronismus.
Unabhängig der Frage, ob und wie ein eventuelles filmen - was man dann ja immer im Hinterkopf hat ... haben muß, ... ich sehe eine andere Gefahr - ausgehend davon, daß ein Unfall geschehen ist,:
  • nach einem Unfall ist die Polizei immer berechtigt, alles zu beschlagnahmen, was irgendwie zur Aufklärung des Unfallhergangs beitragen kann ... oder beitragen könnte. Somit auch diese Dashcam bzw. deren Aufnahmen und diese dann auswerten. Letztlich könnten aber diese Aufnahmen auch das eigene Fehlverhalten zeigen.
Das war bisher anders:
  • die Polizei durfte zwar alles beschlagnahmen - auch diese Dashcam-Aufnahmen, allerdings nicht auswerten - da diese nicht gerichtsverwertbar waren ... also: benutzt werden durften.
Jetzt sind diese Aufnahmen aber gerichtsverwertbar - könnten also auch zu jedermans Nachteil benutzt werden. Diesem Umstand kann man wohl auch nicht dadurch umgehen, indem man eventuell nur den (drohenden) Unfall aufnimmt. Könnte man schon, allerdings ...
  • Der Gesetzgeber schreibt vor, daß sich jeder Verkehrsteilnehmer zu jeder Zeit auf den Straßenverkehr konzentrieren muß - er verbietet ja auch das Telephoniern ohne Freisprechanlage, ... warum sollte er also dann ausgerechnet das zeitweise anschalten einer Dashcam zulassen?
Zumal jeder gegnerische Anwalt wohl dann argumentieren würde:
  • "hätte sich der Unfallgegner nicht der Dashcam gewidmet - sondern dem Straßenverkehr, wäre eventuell der Unfall zu verhindern gewesen."
immernoch_ratlos hat geschrieben:Frage - wann wird ein solches Gerät zur Vorschrift ?
Diese Frage ist berechtigt! Allerdings dürfte diese Vorschrift wohl weniger vom Gesetgeber kommen (können) - nicht bei dem jetzigen Datenschutz, sondern ich denke: eher seitens der Versicherungswirtschaft - weil sie sich einen eventuellen Vorteil davon verspricht.

Motto:
  • wer keine Dashcam installiert, zahlt mehr Versicherungsprämie
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Ein Terraner
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Re: Dashcam

Beitrag von Ein Terraner »

Der Neandertaler hat geschrieben:(15 May 2018, 18:12)
Zumal jeder gegnerische Anwalt wohl dann argumentieren würde:
  • "hätte sich der Unfallgegner nicht der Dashcam gewidmet - sondern dem Straßenverkehr, wäre eventuell der Unfall zu verhindern gewesen."
Aha, und einen Beweis dazu braucht es nicht? Was würde den Anwalt dazu bringen zu behaupten das man gerade an der Dashcam, Radio, Handy, Tablet, Beifahrer/-in rumgefummelt hat ?
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Der Neandertaler
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Re: Dashcam

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Ein Terraner.
Ein Terraner hat geschrieben:Aha, und einen Beweis dazu braucht es nicht? Was würde den Anwalt dazu bringen zu behaupten das man gerade an der Dashcam, Radio, Handy, Tablet, Beifahrer/-in rumgefummelt hat ?
Was für einen Beweis?
  • ... wozu?
Erstens sprach ich (im Namen des Anwaltes) von einer Vermutung: der Unfall wäre zu verhindern gewesen. Zweitens: in dubio pro reo - dies sagt Dir was?!? Vor Gericht muß ich nicht meine Unschuld beweisen - ich muß nur glaubhaft dem Richter berechtigte Zweifel an meiner Schuld anzeigen, damit er mich freisprechen muß.

Aber zum Hergang:
  • wenn ich diese Dashcam nicht ständig laufen lassen will - was ich ja nach jetziger Rechtslage auch nicht darf ("eine permanente anlasslose Aufzeichnung" ist nicht erlaubt), ... wenn aber eine solche Art der Aufnahme nicht etwa durch permantes Überschreiben neuerer Aufnahmen - also letztlich auch des Unfallhergangs vorgenommen wird - sondern per Hand ein- und ausgeschaltet wird, wird der gegnerische Anwalt immer diese Vermutung anstellen. Wenn diese Vermutung seitens des Anwalts auch gegenüber dem Gericht glaubhaft vertreten wird, wird der Richter nicht umhin kommen, den Unfallgegner freizusprechen.
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Re: Dashcam

Beitrag von Ein Terraner »

Der Neandertaler hat geschrieben:(15 May 2018, 18:44)

Aber zum Hergang:
  • wenn ich diese Dashcam nicht ständig laufen lassen will - was ich ja nach jetziger Rechtslage auch nicht darf ("eine permanente anlasslose Aufzeichnung" ist nicht erlaubt), ... wenn aber eine solche Art der Aufnahme nicht etwa durch permantes Überschreiben neuerer Aufnahmen - also letztlich auch des Unfallhergangs vorgenommen wird - sondern per Hand ein- und ausgeschaltet wird, wird der gegnerische Anwalt immer diese Vermutung anstellen. Wenn diese Vermutung seitens des Anwalts auch gegenüber dem Gericht glaubhaft vertreten wird, wird der Richter nicht umhin kommen, den Unfallgegner freizusprechen.
Ich hab mich heute über Gängige Dashcams informiert und eine ohne Loopfunktion habe ich nicht gefunden. Da muss man sich schon eine G-Pro einbauen. Aber selbst wenn er die von Hand einschaltet, es ist doch durch das Video ersichtlich wann die Cam eingeschaltet wurde und was danach passiert ist. Wenn es genau mit dem Einschalten Kracht dann könnte die Argumentation vielleicht noch ziehen, aber wenn dann 1-2 Sek. Unfallfreie Fahrt zu sehen ist eher nicht mehr.
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Re: Dashcam

Beitrag von Der Neandertaler »

Ein Terraner hat geschrieben: Aber selbst wenn er die von Hand einschaltet, es ist doch durch das Video ersichtlich wann die Cam eingeschaltet wurde und was danach passiert ist. Wenn es genau mit dem Einschalten Kracht dann könnte die Argumentation vielleicht noch ziehen, aber wenn dann 1-2 Sek. Unfallfreie Fahrt zu sehen ist eher nicht mehr.
OK, ich will mich deshalb nicht streiten, denn es sind, wie auch immer, irgendwie und -wo Thesen ... also "Wenn ..., dann ..."-Fragen. Da ich aber weiß wie Anwälte argumentieren und was sie alles versuchen, um ihrem Klienten zum Recht zu verhelfen, ...
ich bin mal auf den ersten derartigen Prozess gespannt.
  • ... auf das erste derartige Urteil.
Selbst während dieser "1-2 Sek. Unfallfreie Fahrt" könnten schon Rechte Unbeteiligter betroffen sein. Somit ist dies ja nach jetziger Rechtslage unrechtmäßig. Und bei Auswertung dieser Dashcam-Aufnahme (die ja die Polizei nun vornehmen darf) wäre zumindest dieser Verstoß zu ahnden. Aber dies alles will ich, als Betreiber dieser Dashcam, ja verhindern, somit werde ich wohl nicht umhin kommen, die Dashcam eventuell nur für diesen, einen (Un-)Fall einzuschalten. Also wird es wohl auch zu dieser Anwalt-Argumentation kommen (können).
Zuletzt geändert von Der Neandertaler am Di 15. Mai 2018, 19:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Dashcam

Beitrag von Ein Terraner »

Der Neandertaler hat geschrieben:(15 May 2018, 19:37)

die Dashcam eventuell nur für diesen, einen (Un-)Fall einzuschalten.
Und das du einen Unfall haben wirst weißt du vorher ? :s :?
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Re: Dashcam

Beitrag von Der Neandertaler »

Nicht unbedingt, allerdings ...
OK! Ich gehe immer von mir aus.
  • ... von meinem Verhalten ... von meinen Ahnungen ... als Berufskraftfahrer.
Dies scheint definitiv mein Fehler zu sein. Zumindest ahne ich inetwa ein gewißes Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer voraus - es ist ja schließlich mein Beruf. Aber ein solches Verhalten setze ich auch bei anderen Verkehrsteilnehmern voraus.
  • ... solch eine "Vorahnung".
Somit wird wohl auch der ein oder andere einen eventuellen Crash vorausahnen?!?
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Skeptiker

Re: Dashcam

Beitrag von Skeptiker »

Ein Terraner hat geschrieben:(15 May 2018, 19:02)
Ich hab mich heute über Gängige Dashcams informiert und eine ohne Loopfunktion habe ich nicht gefunden. Da muss man sich schon eine G-Pro einbauen. Aber selbst wenn er die von Hand einschaltet, es ist doch durch das Video ersichtlich wann die Cam eingeschaltet wurde und was danach passiert ist. Wenn es genau mit dem Einschalten Kracht dann könnte die Argumentation vielleicht noch ziehen, aber wenn dann 1-2 Sek. Unfallfreie Fahrt zu sehen ist eher nicht mehr.
Aus dem Artikel im Fokus geht es mE klar hervor:
Hinweis zur Technik der Dashcams
Das Gericht weist zudem darauf hin, dass eine permanente, quasi anlasslose Aufzeichnung des Verkehrs auch gar nicht nötig sei: "Jedenfalls eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke des Klägers ist zur Wahrnehmung seiner Beweissicherungsinteressen nicht erforderlich, denn es ist technisch möglich, eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens zu gestalten, beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges", so das Gericht. Entsprechende Dashcams würden dann ähnlich funktionieren wie Unfalldatenspeicher, deren Aufzeichnungen permanent überschrieben werden - erst bei einem Ereignis wie einem Unfall wird ein gewisser Zeitraum vor dem Ereignis gespeichert und lässt sich dann auswerten
Das bedeutet die klare Positionierung des Gerichtes, dass anlassbezogen (!) gespeichert werden darf. Ob automatisch oder durch manuelles Auslösen spielt keine Rolle (die automatische Speicherung wird als beispielhafte Ausprägung genannt). Die Unterscheidung wird beim Speichervorgang getroffen. Das Gericht weist explizit auf die erlaubte Zwischenspeicherung (im flüchtigen Speicher) hin. Die permanente Speicherung (auf der Speicherkarte) darf aber nur mit Anlass erfolgen.
Damit ist die technische Umsetzung eindeutig spezifiziert.

Es wird nun zwar darüber philosophiert ob man manuelles Speichern irgendwie diskreditieren kann, sodass man mit der Aufnahme dann doch nichts anfangen kann, aber das sehe ich nicht im Sinne dieses Urteils. Daher sehe ich auch keine Chance auf dauerhaften Bestand dieser Rechtsauffassung.
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Re: Dashcam

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Skeptiker.
Skeptiker hat geschrieben:Das bedeutet die klare Positionierung des Gerichtes, dass anlassbezogen (!) gespeichert werden darf.
Das Urteil bzw. diesen Satz habe ich auch gelesen. Mir ging es lediglich darum, indirekt zu fragen, ob und wie sichergestellt wird, daß die Aufnahme lediglich diesen Unfallhergang zeigt?
  • ... wie groß oder klein die Zeit/Timer-Einstellung sein muß, damit keine Rechte Dritter beeinträchtigt sind?
Die Aufnahme des Unfalls selber ist anlassbezogen - STIMMT! Aber eine kurze Zeit vorher wird wohl anlasslos aufgezeichnet.
  • ... unabhängig davon, wie kurz dieser Zeitraum ist.
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Skeptiker

Re: Dashcam

Beitrag von Skeptiker »

Der Neandertaler hat geschrieben:(15 May 2018, 20:06)
Hallo Skeptiker.Das Urteil bzw. diesen Satz habe ich auch gelesen. Mir ging es lediglich darum, indirekt zu fragen, ob und wie sichergestellt wird, daß die Aufnahme lediglich diesen Unfallhergang zeigt?
  • ... wie groß oder klein die Zeit/Timer-Einstellung sein muß, damit keine Rechte Dritter beeinträchtigt sind?
Die Aufnahme des Unfalls selber ist anlassbezogen - STIMMT! Aber eine kurze Zeit vorher wird wohl anlasslos aufgezeichnet.
  • ... unabhängig davon, wie kurz dieser Zeitraum ist.
Ja, das ist tatsächlich wieder eine mögliche Unschärfe.

Bei der Speicherung sollte man den Zeitraum angeben können. Dann wird aus dem flüchtigen Speicher nur der Teil permanent gespeichert der den Sachverhalt klärt. Dann kann im flüchtigen Speicher der Loop ruhig etwas länger ausfallen, Hauptsache es wird nicht ohne Anlass permanent gespeichert (ggf. mit Videoschnittfunktion VOR der permanenten Speicherung, direkt an der Kamera). Wenn man nach einem Anlass den Zeitraum der ausreichend den Sachverhalt klärt, sollte man sauber sein.
Das birgt natürlich immer das Risiko, dass Fehlbedienung oder Ausschalten der Kamera alle Beweise löscht.

Wenn Dein Hinweis sich allerdings auf Sekundenbruchteile o.ä. bezieht, da habe ich weniger Sorgen. Es ist nachvollziehbar, dass kein technisches Gerät exakt ermitteln kann ab welcher Millisekunde ein Sachverhalt beginnt. Mit dem Hinweis auf automatisches Speichern ist somit klargestellt, dass das Gericht eine gewisse "angemessene" Dauer vor dem Ereignis akzeptiert (das sollte auch manuelles Speichern in der Stresssituation beinhalten - wer kann 5min nach dem Unfall schon auf die Sekunde bestimmen wie lang das zu speichernde Video sein muss). Die sind in meinen Augen klar ersichtlich von der Ausrichtung des Urteils abgedeckt.
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Re: Dashcam

Beitrag von immernoch_ratlos »

Alles gute und meist auch nachvollziehbare Annahmen. Dieses grundsätzliche Urteil muss nun "weiter von unten nach oben in den Instanzen" ausgefüllt werden.

Der juristischen "Spielraum" ist auch nichts wirklich neues. Warten "wir" das doch einfach ab. Niemand muss sich selbst belasten. In diese Richtung wird die rechtliche Argumentation gehen, wenn es um die Auswertung der elektronischen Geräte (deren Eigentümer ja juristisch zunächst der Fahrzeughalter ist) geht. Längst könnte bei modernen Fahrzeugen (Bordelektronik) eine ganze Menge zu einem Unfallhergang auch ohne eine bildgebendes Verfahren ausgelesen werden. Bislang ist zumindest mir kein Fall bekannt, wo das in D juristisch verwertbar geschehen ist.

Eine zeitlich begrenzte "Schleife" ist nur einem Anlass geschuldet, einem eventuellen Unfall in einem bildgebenden Verfahren aufzuzeichnen. Damit ist der eigentliche Vorgang keineswegs "anlasslos". Die Dauer der Aufzeichnung wird zunächst Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen sein. Die Entwicklung von Geräten, welche mit hoher Frameraten und ultrahochauflösend maximale Tauglichkeit verbinden, werden nun sinnvoll. Der Schutz der Daten bzw. Verhinderung von Manipulation kann durch Passwort usw. sichergestellt werden. Der Zugang zu den Aufzeichnungen kann technisch auch dem Eigentümer verwehrt werden. Nur im Sonderfall, als gerichtsfestes Beweismittel, wird Einsicht gewährt. Solange eine solche Einrichtung nicht zur gesetzlichen Pflicht wird, sehe ich keinen Anlass dafür nicht von einem "erweiterten" Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen zu dürfen.

Ob also ein solches Gerät gegen den Willen seines Eigentümers im Zweifelsfall auch gegen ihn verwendet werden darf, wir mit Sicherheit Gegenstand eines Prozesses - ganz wie es nun bei der Zulassung als Beweismittel durch den Bundesgerichtshof geschehen ist.
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Re: Dashcam

Beitrag von immernoch_ratlos »

Nun werden auch Einzelheiten der Urteilsbegründung bekannt :
Quelle hat geschrieben:Der Bundesgerichtshof hob das Urteil nun auf und stufte das Video als verwertbar ein. Nach den Worten des Senatsvorsitzenden Gregor Galke folgt dies aus einer Interessenabwägung.

Den Nutzen solcher Aufnahmen für die Gerichte schätzt der BGH als sehr hoch ein, und zwar wegen der "besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist". Unfallgutachten lieferten hier oft keine verlässliche Grundlage, weil auch sie auf verlässliche Tatsachen angewiesen seien.

Deutlich weniger schwer wiegt aus Sicht des BGH dagegen der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Betroffener. Denn das Geschehen ereigne sich im öffentlichen Straßenraum - dort setze sich jeder freiwillig der Beobachtung durch andere aus. "Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind", befand das Gericht.
Auch die Versicherungen sehen "Möglichkeiten" :
Quelle hat geschrieben:Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu Minikameras im Auto werden vermutlich nun auch die Versicherungen auf die Technik zurückgreifen.

Eine denkbare positive Folge könne zum Beispiel sein, dass Kunden ihren Rabatt bei der Versicherung trotz eines Unfalls möglicherweise behalten dürfen: „Wenn Sie durch die Dashcam nachweisen können, dass Sie überhaupt keine Schuld an einem Unfallgeschehen haben, dann rettet das Ihren Schadensfreiheitsrabatt.“

Auch beim Kampf gegen Versicherungsbetrug sieht der GDV nach dem Urteil neue Möglichkeiten. Dashcam-Aufnahmen könnten zeigen, ob ein Unfall mit Absicht herbeigeführt wurde, „ob jemand beispielsweise ganz vorsätzlich plötzlich abgebremst hat und es deswegen zum Unfall kam“.
Der Bonner Generalanzeiger meint abschließend :
Quelle hat geschrieben:Wie reagiert die Politik?

Bei der großen Koalition stößt die Entscheidung auf Wohlwollen. „Das BGH-Urteil hat die Umstände des Einzelfalls gewürdigt und ist aus meiner Sicht zu einem vernünftigen und lebensnahen Ergebnis gekommen“, sagte Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth.

Amtskollegin Eva Högl (SPD) ist ebenfalls zufrieden. „Das Urteil des Bundesgerichtshofs, dass Aufnahmen von Dashcams bei Unfällen im Einzelfall als Beweise im Gerichtsprozess verwendet werden können, begrüße ich ausdrücklich“, sagte sie. Digitale Aufnahmen solcher Minikameras würden damit einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruktion von Unfällen und damit zur Klärung der Schuldfrage leisten können. Weil der BGH permanente Aufzeichnungen durch die Dashcams für unzulässig erklärt hat, verwies Högl auch auf die neue EU-Datenschutzgrundverordnung. „In die gleiche Richtung geht die ab dem 25. Mai 2018 anzuwendende Datenschutzgrundverordnung, die sowohl eine Abwägung der Interessen im Einzelfall vorsieht als auch den Ansatz ‚Datenschutz durch Technik und Voreinstellungen‘ verfolgt“, sagte Högl.

Der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar kritisierte die Entscheidung: „Jeder Verkehrsteilnehmer muss damit rechnen, von Sensoren und Kameras zu jeder Zeit überwacht zu werden.“ Man stehe am Anfang einer Entwicklung, die darauf zuläuft, das Leben einer permanenten sozialen Kontrolle durch technische Systeme zu unterwerfen. „Der Weg in eine Welt der umfassenden digitalen Verkehrsüberwachung ist so vorgezeichnet“, sagte Caspar.
Ist das wirklich so befremdlich ? Ist es nicht eigentlich so, jede Menge klarer gesetzlicher Regelungen in der StVO und es liegt im Belieben des Einzelnen diesen zu folgen oder eben auch nicht - meist zum Schaden Dritter die sich auf deren Einhaltung verlassen - verlassen können müssen ?

Die nächste logische Stufe, sind das autonome Fahren. Dort geht jeder - besonders die Kritiker - davon aus, hier müssen die Regeln strickt eingehalten werden. Ein autonomes Fahrzeug des noch nicht erreichten Level 5 muss so programmiert sein, dass das Einhalten ALLER Regeln zu jeder Zeit sichergestellt sein wird. Warum soll das für den menschlichen Fahrer eigentlich anders sein ?

Es gibt längst Verkehrsbereiche, wo das über Technologie folgerichtig auch gegen den Willen des Fahrers, des Piloten u.ä. durchgesetzt wird. "Freiheit" ist in diesem Zusammenhang ein der Intersubjektivität unterworfene Vorstellung. Bei Entscheidungen ob nun eine Einschränkung zulässig ist, kommt niemand um die logische Aussage „Ein Gegenstand kann nicht gleichzeitig eine Eigenschaft haben, und sie nicht haben“ (WIKI) herum. Die Frage ist, muss jeder die zweifelhafte "Freiheit" haben, Gesetze und Verordnungen die in einem Rechtsstaat zustande gekommen sind, willkürlich zu behandeln und dabei andere zu verletzen oder gar zu töten ? Um dann wegen diesem Verhalten bestraft zu werden, wenn dieses Verhalten durch technische Mittel eigentlich verhindert werden kann ? Ist das Fahren im öffentlichen Verkehrsraum eine "Freizeitbeschäftigung" bei der jeder bestimmen kann, was er / sie tun oder lassen möchte ?

Die technologische Entwicklung hat längst einen Teil diese früher durchaus noch notwendige Einzelentscheidung obsolet gemacht. Die bekannten menschlichen Unzulänglichkeiten werden nach und nach durch Technologie gemildert oder ganz ausgeschlossen. Stärkere Überwachung des Verkehrsraums hat eine durchaus beabsichtigte Wirkung. Ein Muss, solange jedenfalls, wie das sichere Fahren von A nach B durch einen menschlichen Fahrer gewährleistet werden muss, weil warum auch immer, dieser Vorgang nicht durch Technologie ersetzt werden kann.
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Der Neandertaler
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Re: Dashcam

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo immernoch_ratlos.
immernoch_ratlos hat geschrieben:Längst könnte bei modernen Fahrzeugen (Bordelektronik) eine ganze Menge zu einem Unfallhergang auch ohne eine bildgebendes Verfahren ausgelesen werden. Bislang ist zumindest mir kein Fall bekannt, wo das in D juristisch verwertbar geschehen ist.
  • Richtig!
Daten entstehen an verschiedenster Stelle im Fahrzeug - diese werden auch oft zum Fahrverhalten ausgewertet. Allerdings werden diese Daten seitens des Herstellers bzw. des Autohauses zum sogenannten "Plausibilitätstest" benötigt, erhoben und ausgewertet, um einen sicheren Fahrbetrieb zu gewährleisten.
  • ... etwa zur Fehlerdiagnose oder zu einer Erinnerung der nächsten Inspektion, etc.
Etwa sagt Audi, daß bei Ihnen zwar Daten erhoben werden, daß sie aber die Gefahr der Totalüberwachung nicht sehen:
  • "Grundsätzlich stehen Datenschutz und Datensicherheit für uns an erster Stelle stehen. Wir haben höchste Sicherheitsstandards im Umgang mit Kunden- und Fahrzeugdaten"
Eine Auswertung seitens der Polizei war bisher auch nicht möglich - weil ja etwa Daten ... oder Bilder einer Dashcam vor Gericht als Beweismittel einfach nicht zugelassen wurden. Das hat sich nun mit dem jetzigen Urteil geändert. Jetzt darf man diese Daten/Bilder vor Gericht als Beweismittel benutzen. Wenn man dies allerdings weiter denkt, gilt dies aber nicht nur für den Fahrer, der damit seine Unschuld beweisen will, sondern auch für die Polizei, die damit den Unfallhergang klären will. Inwieweit der einzelne Autofahrer/Benutzer dieser Auswertung seitens Polizei widersprechen darf und kann, wird sich zukünftig erweisen müssen. Zu dieser Klarstellung ist der Gesetzgeber aufgefordert, bzw.: diese wird durch Gerichtsurteile festgeschrieben werden ... festgeschrieben werden müssen.

So unterliegt etwa die Beschlagnahme eines Handys als Beweismittel einem Richtervorbehalt. Ausnahme: "Gefahr in Verzug!" Dann darf diese auch von einem Staatsanwalt oder einer Ermittlungsperson angeordnet werden ... zu "präventiv-polizeilichen Zwecken".
  • ... zur Gefahrenabwehr:
    • hat der Fahrer telefoniert - wurde er von einer SMS abgelenkt - hat er sich mit einer Radarwarn-App beschäftigt?
      • ... könnte es dadurch zu einem Unfall kommen?
Nach einem Unfall im Straßenverkehr droht aber die Gefahr nicht mehr- sie hat sich bereits verwirklicht, somit hat der Polizist vorort auch keine Möglichkeit (mehr), ein Handy unter Berufung auf die Gefahrenabwehr zu beschlagnahmen. Eine trotzdem vorgenommene Beschlagnahme kann allerdings "zum Zwecke der Beweissicherung im gerichtlichen Strafverfahren" vorgenommen werden. Hierbei gilt allerdings das "Verhältnismäßigkeitsgebot" - es muß also in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen. So dürfen etwa die Verbindungsdaten nur bei Straftaten von "erheblicher Bedeutung" ermittelt werden:
  • Mord und Totschlag, Raub- und Erpressung, Bandendiebstahl, Geldwäsche, Freiheitsberaubung, gemeingefährliche Straftaten oder Rauschgiftkriminalität etc. - also Straftaten, welche im Bereich des Straßenverkehrs in den seltensten Fällen gegeben sein dürften.
Diese Verbindungsdaten würden aber eventuell sehr zur Aufklärung des Unfalls beitragen: war der Fahrer eventuell abgelenkt? ... und sind daher wohl schon im Interesse der Polizei. Diesem Interesse seitens Polizei hat allerdings ein Beschluß des Bundesverfassungsgerichts von 2005 (Az.: 2 BvR 308/04) einen Riegel vorgeschoben. Aufzeichnung der im Gerät und auf der SIM-Card gespeicherten Daten berühren demnach den Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses gemäß Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes. Eingriffe in dieses Grundrecht bedürfen somit einer gesetzlichen Grundlage (Art. 10 Abs. 2 GG). Eine solche gesetzliche Grundlage findet sich in den Paragraphen 100g und 100h StPO, welche die Kenntnisnahme von Telekommunikationsverbindungsdaten regelt - bezieht sich aber eben nur auf Straftaten von "erheblicher Bedeutung".

Übertragen auf Daten oder Bilder von Dashcams hieße das:
  • eine Beschlagnahme durch einen Polizisten, etwa während einer Polizeikontrolle, wäre zu "präventiv-polizeilichen Zwecken" ... zur Gefahrenabwehr OK!, wenn er sich also auf "Gefahr in Verzug!" beruft. Ansonsten: Beschlagnahme nur unter Richtervorbehalt. Alles andere: etwa die Frage, was noch zur "anlaßbedingten Aufnahme" eines Unfalls gehört - ohne Rechte Dritter zu tangieren - und wenn ja, wieweit darf diese Einschränkung gehen? ... muß und sollte der Gesetzgeber regeln. Somit auch die Frage: Was eine zeitlich begrenzte "Schleife" ist ... also die eventuell (höchst-) Dauer der Aufzeichnung?

    Letztlich werden diese Fragen (wie grundsätzlich auch eine gesetzliche Regelung) wohl vor Gericht landen, da zur Klärung dieser Fragen immer mehrere Sachen berücksichtigt werden müssen - sehe ich genauso.
    • (Datenschutz und Datensicherheit, Recht am eigenen Bild, etc.)
immernoch_ratlos hat geschrieben:Ist das Fahren im öffentlichen Verkehrsraum eine "Freizeitbeschäftigung" bei der jeder bestimmen kann, was er / sie tun oder lassen möchte ?

Die technologische Entwicklung hat längst einen Teil diese früher durchaus noch notwendige Einzelentscheidung obsolet gemacht. Die bekannten menschlichen Unzulänglichkeiten werden nach und nach durch Technologie gemildert oder ganz ausgeschlossen. Stärkere Überwachung des Verkehrsraums hat eine durchaus beabsichtigte Wirkung. Ein Muss, solange jedenfalls, wie das sichere Fahren von A nach B durch einen menschlichen Fahrer gewährleistet werden muss, weil warum auch immer, dieser Vorgang nicht durch Technologie ersetzt werden kann.
Ersteres ist ja wohl schon durch die vielen Überwachungskameras "zur Gefahrenabwehr" (etwa an Bahnhöfen oder Marktplätzen, etc.) oder auch in ÖPNV-Wagen eingeschränkt. Das dürfte allerdings nicht unser Frage tangieren. Alleine schon durch die Lkw-Maut-Brücken-Kameras ist eine (fast lückenlose) Überwachung jedermans möglich. Wobei allerdings immer das "Verhältnismäßigkeitsgebot" beachtet werden muß. Ich vermute nun, daß dies auch geschehen ist!?!

Zu dem zweiten Punkt - Milderung der "bekannten menschlichen Unzulänglichkeiten ... durch Technologie":
  • erstens besteht immer die Gefahr, daß sich Jederman oder Frau auf die Technik verläßt - "sie wird meine Fehler schon korrigieren." Zweitens bleibt die Frage, ob und inwieweit die Technik letztlich den Fahrer ... die Fahrerin überfordert?
Es geht also weniger um die Frage, was kann Technik?
  • ... helfen bzw. Daten speichern ... eventuell zu dieser Hilfe?
Es geht primär um die Frage: können diese Daten mir helfen und kann ich (bei ungünstiger Lage) einer Auswertung widersprechen?
Ich denke:
  • letztlich werde ich dieser Auswertung "zum Zwecke der Beweissicherung im gerichtlichen Strafverfahren" wohl nicht widersprechen können - wenn ich bewußtlos bin, sowieso nicht. Somit können, solange keine anderslautende Regelung besteht, diese Daten einer Dashcam auch zu meinem Nachteil genutzt werden.
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Re: Dashcam

Beitrag von Der Neandertaler »

Hallo Skeptiker.
Skeptiker hat geschrieben:Wenn Dein Hinweis sich allerdings auf Sekundenbruchteile o.ä. bezieht, da habe ich weniger Sorgen. Es ist nachvollziehbar, dass kein technisches Gerät exakt ermitteln kann ab welcher Millisekunde ein Sachverhalt beginnt. Mit dem Hinweis auf automatisches Speichern ist somit klargestellt, dass das Gericht eine gewisse "angemessene" Dauer vor dem Ereignis akzeptiert (das sollte auch manuelles Speichern in der Stresssituation beinhalten - wer kann 5min nach dem Unfall schon auf die Sekunde bestimmen wie lang das zu speichernde Video sein muss). Die sind in meinen Augen klar ersichtlich von der Ausrichtung des Urteils abgedeckt.
Nach meinem letzten Beitrag, als Antwort auf immernoch_ratlos, habe ich mich an einige diesbezügliche Urteile erinnert.

Das Landge­richts Traun­stein urteilte 2016 (Az.: 3 O 1200/15), daß die Kamera­auf­nahme einer Dashcam unter bestimmten Vorraus­set­zungen zivil­rechtlich verwertbar ist. Sie sind allerdings nur dann zugelassen, wenn sichergestellt ist, daß die Aufnahmen einer Dashcam technisch so gestaltet ist, daß sie
  • "nur die 15 Sekunden vor und nach einem "auslösenden Ereignis" (starke Bremsung, starke Seitenfliehkräfte, Kollision) dauerhaft speichert und die sonstigen Aufnahmen ohne auslösendes Ereignis alle 30 Sekunden endgültig und nicht mehr rekonstruierbar überschreibt."
Schon 2015 hat das Amtsge­richt Nienburg geurteilt (Az.: 4 Ds 155/14, 4 Ds 520 Js 39473/14), daß im Strafverfahren "kein generelles Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Aufzeichnungen" besteht. Die Aufnahme wurde "aus aktuellem und konkreten Anlaß vorausschauend" angefertigt.
"Der Betroffene verfolgt jeweils konkret abgegrenzte und bestimmbare vermögensbezogene Rechtsangelegenheiten im Zusammenhang mit dem Betrieb seines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr. ... Beweismittel zum Nachweis ... Unfallereignis ..."
  • ... somit wurde die Aufnahme zugelassen!
"Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Dashcam-Aufzeichnungen in gerichtliche Verfahren zulässig eingeführt und verwertet werden dürfen, ist derzeit Gegenstand einer breiten Diskussion in der juristischen Fachwelt und der allgemeinen Öffentlichkeit"
  • ... heißt es ausdrücklich im Urteil.
Da diese Urteile einerseits von einem Landge­richt und andererseits von einem Amtsge­richt ergingen und daher nicht bundes-bindend ist ... aber richtungs- und orientierungsweisend, ... somit bleibt die Frage, ob und wieweit andere Gerichte das beurteilen und die Sequenz zeitlich festsetzen.

Um aber meine andere Frage nach der Verwertbarkeit zum eigenen Nachteil zu beurteilen, sollte man ein Urteil des Oberlandesgericht Stuttgart vom Mai 2016 betrachten - Az.: 4 Ss 543/15. Demnach können Dashcam-Aufnahmen "zur Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich verwertet werden."
  • ... auch die eines anderen Verkehrsteilnehmers!
Dieser hatte mit einer Dashcam zunächst anlaßlos ... also quasi zufällig einen Rotlichtverstoß eines anderen Verkehrsteilnehmers aufgenommen. Das Amtsgericht Reutlingen sah im vorliegenden Fall kein Beweisverwertungsverbot dieser Aufnahmen und verhing gegen den Rotlichtsünder eine Geldbuße von 200 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat. Die nachfolgende Rechtsbeschwerde des Betroffenen beim Oberlandesgericht Stuttgart hat dieses nun verworfen und somit bestätigte der 4. Senat für Bußgeldsachen das Urteil des Amtsgericht!
"Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, daß Sie Ihre Meinung frei äußern können." (Voltaire)
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