jorikke hat geschrieben:(06 Aug 2017, 19:14)
Ich kenne Berlin ja ziemlich gut.
Vulkanausbrüche bringen mich aber ziemlich ins Grübeln.
Die Reste von Pompeji in der Museumsinsel waren kein lokales Berliner Ereignis.
Importiertes Zeug.
Nunja, den Vulkanausbruch brachte ich deshalb ins Spiel, weil ich mal auf einer lustigen Veranstaltung in Tegel war, wo einige Vertreter von Airlines, Flughafen, Bürgerinitiativen, Politik usw. diskutierten. Lärmschutz und so. Und da war -- ich muss es leider sagen -- ein CDU-Bezirkspolitiker, der entweder alle Anwesenden für etwas unkritisch und blöde hielt... oder der es selber war und sich etwas hat aufschwatzen lassen. In beiden Fällen spräche es aber nicht für ihn. Jedenfalls sagte er, eine steigende Lärmbelastung, die Anwohner beklagten, sei aus seiner Sicht nicht möglich, da die Statistiken eine andere Sprache sprächen. Er nahm dazu die Starts und Landungen vom April 2009 und verglich sie mit dem selben Zeitraum im Folgejahr. Und da gingen tatsächlich die Bewegungen am Flughafen nach unten. Entwarnung! Weniger Luftverkehr! Alles wird gut! Bedauerlicherweise (für ihn) rief jemand aus dem Publikum (ich war's nicht) dazwischen, dass im April 2010 doch der isländische Vulkan mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen ausgebrochen sei und zahlreiche Flüge gestrichen wurden, weshalb es doch nicht verwunderlich sei, wenn es weniger wurde als im Vorjahr 2009. Der Vertreter vom Flughafen, dem der Einwand wohl auch etwas peinlich war, musste dann leider etwas sagen, was er vermutlich gerne vermieden hätte: im Trend wächst Tegel seit vielen Jahren recht stark und die gefühlt gestiegene Belastung, insb. auch der im Normalfall nicht zulässigen Nachtflüge, sei somit in der Tat schlüssig und nachvollziehbar.
Aber eines Tages, im April 2010, war plötzlich alles anders, Charlotte und Horst schauten sich an und haben gegrübelt. Irgendetwas stimmte nicht. Jemand hatte die Flugzeuge aus ihrem niedrigen Himmel entfernt. Sie bekamen eine Ahnung davon, wie es sein könnte, wenn eines gar nicht mehr so fernen Tages Stille draußen herrschen würde. Und es gab auch einen Verantwortlichen für diesen merkwürdigen Umstand, der trug einen eigenartigen Namen, wie sie später erfuhren, nämlich Eyjafjallajökull und war ein Vulkan auf Island. Die riesige Aschewolke, die er ausspie, hatte den nordeuropäischen Flugverkehr lahmgelegt. Auch von Tegel flog kein Flugzeug ab. Titius schwärmt noch heute: „Es war wie im Paradies. Ich dachte, ich schwebe.“
http://www.tagesspiegel.de/berlin/wohne ... 568-2.html
CDU und Tegel, das ist ein ganz merkwürdige Liebe. Heute verweist witzigerweise Rot-Rot-Grün auf den BER-Planfeststellungsbeschluss, den der CDU-Senat von Diepgen damals auf den Weg brachte und die Schließung Tegels zur Bedingung machte, weil es die Bundesregierung Kohls so wollte und die Kollegen von CDU und CSU in Wiesbaden und München Angst davor hätten, dass dort das führende Drehkreuz Deutschlands für den Luftverkehr entstehen könnte. Auch einer der Gründe, warum man den BER an einem Ort baute, der nur sehr eingeschränkt nutz- und kaum erweiterbar ist. Zudem hat man entgegen aller Prognosen der Verkehrsexperten den BER zu klein dimensioniert, was wiederum einer der Gründe für die Kostensteigerungen und Verzögerungen war, da man im laufenden Baubetrieb die Planungen geändert hat, um mehr Kapazitäten zu kriegen. Und jeder, der sich ein wenig mit Planung auskennt, weiß, dass das kein günstiges unterfangen ist; auch wenn es möglicherweise billiger ist als später, wenn der BER in Betrieb ist, die Kapazitäten zu erhöhen.
Nun brachte die FDP einen Volksentscheid auf den Weg (findet am selben Tag wie die Bundestagswahl statt), um Tegel offenzuhalten, solange nicht gewährleistet werden kann, dass der BER tatsächlich ausreicht (was nicht der Fall sein wird, wann auch immer das Ding eröffnet wird). In Umfragen sieht's für das Vorhaben ganz gut aus, da 60-70% der Berliner dafür stimmen wollen (und sei es nur, um dem jetzigen Senat eins auszuwischen). Und siehe da:
Berliner CDU will Flughafen Tegel offen halten
http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-07/f ... terbetrieb
Wobei man da auch erstmal abwarten muss, ob die Berliner tatsächlich für Tegel stimmen. Und wenn sie es tun, ist eine Offenhaltung auch noch nicht gewiss. Zwar gehen die meisten Rechtsexperten davon aus, dass man diesen Punkt des Planfeststellungsbeschlusses streichen kann. Aber Berlin ist ja nur einer von drei Partnern, die dort werkeln. Mit beteiligt, was gerne vergessen wird, ist im selben Umfang der Bund und das Land Brandenburg, auf dessen Gebiet der Flughafen komplett liegt. Das heißt, dass weder der Berliner Senat, noch das Berliner Abgeordnetenhaus eigenständig entscheiden könnte, ob der Beschluss überarbeitet wird. Sie können nur dafür werben, was sicherlich interessant wird, wenn alle drei Koalitionspartner bisher für die Schließung waren. Selbiges gilt für die Koalition in Potsdam. Aber im Bund sieht's ja nicht nennenswert anders aus. Dobrindt hat sich endlich mal in das Thema eingemischt, was aber in diesem Falle nicht gut ankam, da das Bundeskanzleramt sofort beschwichtigen musste und der Regierungssprecher in einer Eilmeldung mitteilte, dass die Bundesregierung weiterhin an der Schließung Tegels festhält. Und dann kam noch anschließend Genosse Kauder und warb für die Offenhaltung. Das Chaos ist nahezu perfekt.
BER-Eigner fordern Krisensitzung nach Dobrindt-Äußerungen
http://www.tagesspiegel.de/berlin/disku ... 53548.html
Und zum Schluss noch etwas mehr Entertainment aus den letzten Wochen:
Hauptstadtflughafen als Ewigbaustelle, Tegel vor der Schließung - mit seinen Flughäfen ist Berlin vollauf beschäftigt. Nun kommt Billigflieger Ryanair mit einer neuen Forderung um die Ecke: nach einem dritten Standort.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 58633.html