tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Die Annexion der Krim durch Russland hatte für Russland nur zur Folge dass der Westen einige Sanktionen einführte. Als weit problematischer erwies sich dass der Ölpreis zusammenbrach und der Westen für's Urlaubmachen russischer Panzer in der Ostukraine (!) am laufenden Band weitere Sanktionen erhob. Nur ist die Geschichte noch lange nicht vorüber, Putin hat sich inzwischen bedankt und einem neuen amerikanischen Präsidenten aktiv zur Macht verholfen, einen bei dem er hofft einen für ihn akzeptablen Deal raus schlagen zu können. Wir werden sehen ob es fruchtet.
"Nur" einige Sanktionen ist gut. Stand September 2015 beläuft sich der wirtschaftliche Schaden für Russland durch besagte Sanktionen auf 100 Mrd. USD.
http://europe.newsweek.com/russian-sanc ... ion-328999
Die sanktionierenden Staaten sind übrigens u.a. die gesamte EU, USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz, Japan. Man stelle sich ein solches Sanktionenregime im Falle Israels vor. Ich glaube kaum, dass man dort vergleichbare Sanktionen locker wegstecken kann.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Die Türkei hat für Zypern wahrlich unter Dauersanktionen zu leiden, alleine die über 100 F-16 mussten ähnlich wie im Falle Israels 1948 unter widrigsten Umständen ins Land geschmuggelt werden. Achso warte, war ja gar nicht so, es gibt praktisch keinen diplomatischen Preis den die Türkei für Nordzypern zu bezahlen hatte. Warum auch, so eindeutig ist der Konflikt nicht, schließlich hatten die Griechen den Status Quo zuvor verändert, und es leben nun mal Griechen UND Türken auf der Insel.
Es gibt ein umfangreiches Sanktionenregime gegen die sogenannte Republik Nordzypern, welches vor allem die EU auferlegt hat. Fun fact: Nordzypern hat sogar einen eigenen internationalen Flughafen, welcher jedoch außer von der Türkei von keinem Staat direkt angeflogen wird, weil Sanktionen und so.
Obwohl die Situation in Zypern nicht schwarz/weiß ist, wie Sie korrekt schreiben, wird die sog. Republik Nordzypern von keinem Staat der Erde außer der Türkei anerkannt. Dabei wäre die Situation in Zypern wesentlich einfacher zu akzeptieren, da es eine klare Trennlinie zwischen Nord- und Südzypern gibt und keine Seite innerhalb der anderen siedelt. Beide Seiten sind territorial zusammenhängend mit ein paar Exklaven, die sich innerhalb der Pufferzone befinden.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Und auch China hatte für Tibet seit 1950 keinen wirklichen Preis zu zahlen.
(Die Volksrepublik) China hatte zu dem Zeitpunkt der Annexion keine diplomatischen Beziehungen zu Erstweltstaaten. Darüber hinaus war es ein im Wesentlichen ein Agrarstaat, der sowieso nicht viel exportierte. Zum Zeitpunkt der Annexion war China in einen Krieg mit etwa 28 Erstweltstaaten verwickelt. Mit anderen Worten, politische / diplomatische Sanktionierung war sowieso bereits gegeben, Handel wurde kaum bis gar keiner geführt und gleichzeitig bekämpfte man chinesische Soldaten auf dem Schlachtfeld. Hat China jemals einen Preis für die Annexion bezahlt? Nein, aber eben deshalb, dass Tibet lediglich eines von vielen Problemen ist, die man mit China hat und aufgrund derer China eben nicht in das westliche Staatenbündnis integriert ist wie etwa Südkorea oder Japan. Genauso wie die Sovietunion auch nicht für verschiedene inhumane und völkerrechtswidrige Aktionen
direkt sanktioniert wurde, da sie ja bereits der Feind war.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Die USA sind seit kurz vor dem 1. Weltkrieg territorial saturiert, was ihre Politik seitdem erklärt. Davor wurde neben legalen Landkäufen (Lousiana-Deal, Alaska-Deal) u.A. Mexico gewaltsam um die Hälfte verkleinert (1836-48),
1. Ist Ihr Beispiel 169 Jahre alt, also reden wir hier von 72 Jahren vor Gründung des Völkerbundes und 97 Jahre vor Gründung der UNO. Wir können darauf einigen, dass die Diplomatie und der Respekt dem Völkerrecht gegenüber (das damals wenn überhaupt, dann nur in Ansätzen überhaupt existierte) noch nicht besonders ausgeprägt war.
2. Hat Mexiko mit dem Vertrag von Guadalupe-Hidalgo die Territorien selbsttätig an die USA abgetreten, bzw. verkauft. Niemand hat der mexikanischen Regierung eine Pistole an den Kopf gehalten und sie dazu gezwungen, den Vertrag zu unterschreiben. Tatsächlich wollte die US-Delegation mehr als sie bekommen haben (nicht wesentlich mehr, aber dennoch). Tatsächlich war US-Präsident Polk extrem sauer darüber, dass die US-Delegation auf Baja Kalifornien verzichtete. Dem Anführer der Delegation Trist wurde es nie verziehen. Fun fact!
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
und Spanien wurden gewaltsam Kolonien entrissen (1898).
1. Spanien hat den USA den Krieg erklärt, nicht umgekehrt
2. wurde kein Territorium von den USA annektiert, sondern im Wesentlichen wurde Kuba von einer spanischen Kolonie in die Unabhängigkeit (wenn auch bis zur Revolution als Schoßhund der USA) entlassen. Wenn überhaupt, hätten die USA dafür belohnt und nicht sanktioniert werden sollen.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Zudem wurde Kanada zum Zwecke des Gebietserwerbs angegriffen, doch diese Aktion scheiterte (Krieg von 1812). Sanktionen? Keine.
Wie gehen also noch weiter in der Zeit zurück? Ja, stimmt, es gab keine Sanktionien. Es gab ja auch keine Annexion. Abgesehen davon war man damals in Europa wohl zu sehr damit beschäftigt, gegen Napoleon Krieg zu führen.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Die Bewohner der Falklandinseln (immerhin seit 150 Jahren dort ansässig, und das was dort "Eingeborenen" am nächsten kommt) durften nur deshalb bleiben weil England die Invasion der Inseln durch Argentinien 1982 militärisch zurück schlug.
Es gibt keinerlei Indikatoren dafür, dass Sr. Galtieri die Absicht hatte, die Bewohner der Falklandinseln zu vertreiben. Weder hat er jemals Anstalten gemacht, ein solches Unterfangen durchzuführen noch hat er jemals diese Absicht geäußert. Man hat es nicht einmal fertiggebracht, die auf den Falklandinseln stationierten britischen Soldaten nach Großbritanien zu vertreiben, was ursprünglich der Plan war. Er wollte die Hoheit über besagte Inseln und vermutlich hätte dies zu einer Migration einiger Argentiniern auf die Falklandinseln geführt. In Wirklichkeit wollte besagter Sr. aber lediglich von innenpolitischen Problemen ablenken.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Durch Verhandlungen oder Sanktionen wäre da genau gar nichts zu machen gewesen,
Niemand behauptet, Sanktionen seien besonders wirkungsvoll, wenn es darum geht, Staaten zum Einlenken zu bringen. Aber sie sind üblich.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
das einzige was Argentinien von einer erneuten Invasion der Inseln abhält ist die schlimme fiskale Lage und damit verbunden militärische Schwäche.
Was Argentinien davon abhält, ist eine reine Kosten-Nutzen Rechnung. Welche Bedeutung haben die Falklandinseln für Argentinien? Eine sehr geringe, vielleicht abgesehen von Prestige. Es ist nicht so, als wäre Argentinien ein extrem überbevölkerter Staat, der dringend Land benötigt. Welche Konsequenzen hätte eine Invasion, selbst wenn sie militärisch gegenüber GB zu "gewinnen" wäre? Abgesehen von den Kosten einer solchen Aktion auch Sanktionen und politische Isolation durch den Westen. Warum sollte man das wollen? Die südamerikanischen Staaten sind seit etwa 20 Jahren relativ erfolgreich darin, sich zu demokratisieren, brav zu verhalten, sich an die Spielregeln zu halten und sich der westlichen Staatengemeinschaft, vor allem ökonomisch, anzunähern. Wenn überhaupt, dann sind die Falklandinseln ein Gegenbeispiel zu Ihrem Standpunkt (Recht des Stärkeren, etc.)
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)Gab's dagegen beissende Sanktionen der EU (die Einwohner der Falklands sind immerhin noch EU-Bürger) gegen Argentinien für den Versuch der militärischen Invasion? Oder wenigstens eine gemeinsame Verurteilung des Vorgehens? Natürlich nicht.
Nein, denn die Militärjunta von Sr. Galtieri, die man alleinig für besagte Invasion verantwortlich machen kann, ist ja ganz kurz nach dem Falklandkrieg (aufgrund der Niederlage, fun fact) gestürzt worden. Es ist ganz bestimmt nicht die argentinische Bevölkerung gewesen, die wegen der Falklandinseln in den Krieg ziehen wollte. Warum hätte man also ein Volk dafür bestrafen sollen, was (einzig) eine nicht mehr amtierende Regierung verbrochen hat? Damit wäre niemandem geholfen gewesen.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Wenn man irgendwann die Gründe für den Brexit historisch zusammenfassen will, hier ist ein spannender Ansatzpunkt: Kontinentaleuropa hat damals eine gigantische Chance verspielt Solidarität mit England zu zeigen, und den Engländern zu beweisen dass sie sich auf ihre Partner auch im Konfliktfall verlassen können.
Vielleicht sollten wir doch beim Thema bleiben.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Dann gibt's noch die Annektion der Westsahara durch Marokko,
Eines der wenigen Beispiele, die zu einem gewissen Grad "funktionieren". Es gibt tatsächlich ein Maß an Passivität seitens der UNO und internationalen Staatengemeinschaft, was die Unabhängigkeitsbestrebungen der Sahrauis in Marokko angeht. Allerdings ist es auch nicht so, dass man international die Westsaharafrage geschlossen zugunsten von Marokko entschieden hätte. Man ist sich international durchaus der Tatsache bewusst, dass hier ein ungelöster Konflikt besteht.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
die Landkonflikte zwischen Ägypten und Sudan, zwischen Äthiopien und Somalia, usw.
Welche Territorien wurden hier annektiert?
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Was hat das alles mit Israel zu tun? Die Erkenntnis dass am Ende militärische Stärke durchaus Landkonflikte entscheidet, es gibt international so etwas wie das Recht des Stärkeren. Dieses wird natürlich diplomatisch beschränkt, sonst hätten wir weltweit ständig Konflikte. Aber zu bestreiten dass am Ende militärische Stärke ein wichtiger Faktor ist,
Selbstverständlich ist es ein wichtiger Faktor, aber die Aussicht, für völkerrechtswidrige Aktionen zur Verantwortung gezogen zu werden, ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, vor allem für kleinere Staaten, die vielleicht regional die Spielregeln vorgeben können, aber global eher Zwerge sind.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
oder zu glauben dass es eine internationale Staatenpolizei gäbe die alles richtet,
Es gibt keine Staaten"polizei", aber es gibt Staaten, die - jenseits ihrer machievellistischen Eigeninteressen - auch gewisse Prinzipien verfolgen. Als Faustregel kann man sagen, dass diese Prinzipientreue positiv mit dem Demokratiegrad der Staaten korreliert. Wir können uns darauf einigen, dass besagte Prinzipientreue seine Grenzen hat und im Zweifelsfall häufig durch Eigeninteressen kompromitiert wird. Dennoch ist man nicht partout auf beiden Augen blind bei internationalen Konflikten.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Die UN besteht vor allem anderen aus nationalen Interessenvertretern die versuchen Einfluss zu nutzen um das meiste für ihre Staaten herauszuholen, Recht oder Unrecht interessiert da nahezu null.
Zunächst mal gibt es die UN und es gibt "die Staaten". Man sollte nicht den Fehler machen, die beiden Konzepte zu verwechseln (das erinnert mich häufig daran, wenn Leute die EU mit Europa verwechseln). "Die Staaten" sind in gewisser Hinsicht paradox: Einerseit können sie extrem rationale Dinge zustande kriegen (Dayton-Vertrag, weltweite Dekolonialisierung, Nordirland-Übereinkunft, etc pp.), andererseits können sie auch sehr irrational agieren (1. WK, Syrien, Kalter Krieg, etc.). Es kommt hat auch die jeweilige spezifische Situation an.
tabernakel hat geschrieben:(29 Jan 2017, 12:24)
Die Israelis wissen dass die internationale Staatengemeinschaft genau keinen Finger krümmen würde sollten sie jemals einen Krieg verlieren, und das hilft ihnen dabei die Realität niemals aus dem Auge zu verlieren.
Die Staatengemeinschaft hat Israel bereits mehrfach in kritischen (1947/1948, 1973, etc.) sowie unkritischen (1956, 2006, 2008, etc.) Kriegen unterstützt. Bisher war die Staatengemeinschaft deutlich mehr Segen als Fluch für Israel. Wobei wir uns natürlich darin einig sind, dass man daraus nicht ableiten kann, dass dies immer der Fall sein muss.