Julian hat geschrieben:Mein Eindruck, dass Erdogan den Kurden mehr Freiheiten verschafft hat, beruht auf Medienberichten, die die Politik Erdogans in den mittleren Jahren seiner Regentschaft als durchaus kurdenfreundlich bewerteten, zumindest verglichen mit den üblichen türkischen Nationalisten
Ja, es ist ein Eindruck.
Das wir heute überhaupt von Erdos offener Kurdenpolitik diskutieren ist ja, wie Sie bereits richtig andeuteten, dem Umstand geschuldet, dass die vorigen Regierungen in der Türkei die Messlatte quasi am Boden gehalten haben (was Minderheitenrechte betrifft). Nichtsdestotrotz muss und wird Erdo am Ergebnis gemessen. Mittlerweile ist seine sanfte Politik der Anfangsjahre völlig belanglos. Er hat bewiesen, dass dies nur Mittel zum Zweck war.
Julian hat geschrieben:Auf einen solchen Schritt haben die Kurden lange gewartet: Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat sich zum ersten Mal offiziell für das Töten von rund 14.000 Kurden in den dreißiger Jahren entschuldigt.
Keine dieser Entschuldigungen erfolgte ohne politisches Kalkül. Wenn Sie sich den Artikel, welchen Sie verlinkt haben, auch nach dem Titel durchlesen, werden Sie wissen wovon ich schreibe. Diese "Entschuldigung" richtete sich nicht an die Verbliebenen, viel eher war es ein Versuch den Vorsitzenden der CHP, Kemal Kilicdaroglu (der selber aus Dêrsim/Tunceli stammt) zu entblößen. Was Erdo ja auch gelungen ist.
Abgesehen davon hat Erdo seit seinem Amtsantritt genug Kurdenleben auf dem Gewissen. Und dafür wird sich in der Zukunft dann ein säkularer türkischer Kolonialherr "entschuldigen", um seinen Vorgänger zu diskreditieren. Auf solche "Entschuldigungen" kann man gerne verzichten. Entscheidend ist, dass das Morden ein Ende hat und endlich nach politischen Lösungen gesucht wird. Das wurde nicht getan!
Julian hat geschrieben:Q, X und W: Diese kurdischen Buchstaben waren in der Türkei bislang untersagt. Ihre Benutzung wurde strafrechtlich verfolgt. Nun will Ministerpräsident Erdogan türkischen Zeitungen zufolge das Schriftzeichenverbot aufheben.
Ja, das Buchstaben-Reförmchen wurde durchgezogen, genauso wurden in seiner Zeit auch kurdische Privatschulen und Sender eröffnet. Das stimmt. Und doch heißt es weiter in der türkischen Verfassung:
Außer Türkisch darf den türkischen Bürgern in den Bildungsstätten keine weitere Sprache als Muttersprache gelehrt werden.
Julian hat geschrieben:Das kurdische Newrozfest wird in diesem Jahr zum ersten Mal ein nationales türkisches Ereignis. Die Regierungspartei AKP lädt zum Newroz genauso ein wie die pro-kurdische BDP. Es gibt Veranstaltungen in der ganzen Türkei – als nationale Versöhnung. Doch das eigentliche historische zum diesjährigen Newrozfest ist die Erklärung des auf der Marmarainsel Imrali lebenslang inhaftierten Kurdenführers Abdullah Öcalan. Er rief am Donnerstag seine Anhänger in der Milizentruppe PKK zu einer Waffenruhe auf, die Kämpfer sollten sich aus der Türkei und von den Grenzen des Landes zurückziehen.
Die vor wenigen Monaten noch unerwartete Wende ist möglich geworden durch einen politischen Schwenk von Tayyip Erdoğan. Er hat sich – fürs Erste zumindest – von der militärischen Lösung der Kurdenfrage und nationalistischer Rhetorik verabschiedet. Seine Partei unternimmt den dritten Versuch einer politischen Lösung in fünf Jahren – hoffentlich nun ohne Zittern und Versagen. Auf der anderen Seite wittern die Kurden, dass sie dieses Mal wirklich etwas erreichen können.
Ja. Newroz wird zu einem nationalen "türkischen" Ereignis - man türkisiert sozusagen das kurdische Neujahrsfest. Das hat mit einer gesunden Midnerheitenpolitik wenig zu tun.
Julian hat geschrieben:Zuletzt war der Friedensprozess zwischen der Regierung in Ankara und den kurdischen PKK-Rebellen ins Stocken geraten. Doch nun deutet Regierungschef Recep Tayyip Erdogan eine Generalamnestie für kurdische Rebellen und Aktivisten an.
Solch eine Generalamnestie hat es nie gegeben. Dies war ja auch mituner einer der Gründe, weshalb der Friedensprozess auch scheiterte.
Julian hat geschrieben:Mehr Rechte für die Kurden
Der türkische Staatschef Erdogan gibt den Kurden mehr Freiheiten. Unter anderem dürfen sie ihre Muttersprache künftig auch im Alltag nutzen.
Das Verbot der kurdischen Sprache im Alltag war sowieso vom ersten Tag an absurd und zutiefst rassistisch. Es war der Wille der Kurden über Jahrzehnte, welcher dann einen Politiker wie Erdo dazu zwang es aufzuheben. Dafür werden wir niemandem dankbar sein!
Julian hat geschrieben:Von daher halte ich meinen Eindruck für wohlbegründet. Dass danach ein Schwenk erfolgte, ist auch klar, dennoch mag es Gründe geben, warum Kurden lieber Erdogan und die AKP wählen als andere türkisch-nationalistische Parteien oder auch kurdische Parteien, die nicht ihrem ländlichen Konservativismus entsprechen oder sogar zweifelhafte Verbindungen zu Terrororganisationen haben.
Ihr Eindruck täuscht Sie nach wievor. Unterm Strich hat sich am konstitutionellen Status der Kurden NICHTS verändert. Rein gar nichts! Von irgendwelchen Alibi-Reförmchen die dazu gedacht waren der AKP den Weg zur totalen Machtübernahme zu ebnen, können sich die Kurden nichts kaufen. Erdo hat während dem "Friedensprozess" mit der PKK Kasernen ausbauen lassen und ab dem Jahr 2013 dann endgültig seinen "neuen" Kurdenkurs offenbart. Die Ermordung kurdischer Politiker in Paris, Unterstützung des völkermordenden IS, Anschläge gegen Kurden innerhalb der "Türkei" (Suruc, Ankara, etc.), die Zerstörung kurdischer Städte (siehe Altstadt von Amed), die Erneuerung von kulturellen Verboten gegen die Kurden und seinem Einmarsch in Efrîn, sein Schulterschluss mit der rechtsextremen MHP. Das nenne ich keinen "Schwenk".
Und das es dann noch Hauskurden gibt, die getrieben von ihren Minderwertigkeitskomplexen und Duckmäusertum weiterhin ihre Stimme ihrem Kolonialherren geben ist nichts Neues. Sultan Abdulhamid konnte auch seine Hamidiye-Regimenter aufstellen, genauso wie die säkulare Türke ihre Korucis (Dorfschützer) rekrutierten. Innerhalb eines Volkes wird es immer schwache Elemente geben, die dem Druck ihrer Peiniger nachgeben. Das liegt in der Natur der Geschichte.
Natürlich kann man der PKK und ihrem politischen Arm, der HDP, einen Vorwurf machen, dass sie auf die Bedürfnisse der ländlich-konservativen Bevölkerung nicht eingehen. Das tue ich auch immer. Es ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass Erdogan bei dieser Wahl, keine guten Gründe hatte, in PKK-Hochburgen erheblich mehr Stimmen zu erhalten. Deshalb kann man sehr sicher sein, dass er zumindest in Nordkurdistan die Wahlen manipuliert hat.
Make Kurdistan Free Again...