Lynchjustiz gilt als ein Ausdruck von entladenem Hass und Rassismus gegenüber Randgruppen. Dementsprechend häufig treten solche Gewaltausbrüche in der durch und durch faschistischen Leitgesellschaft der Türkei vor.
Eine Kultur der Lynchjustiz?
Dieser Frage ging ein Artikel der DW im Mai diesen Jahres nach. Was geschah?
Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei wurde von einem wütenden Mob attackiert und entgeht nur knapp dem Tod. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen CHP Kemal Kilicdaroglu hatte sich am 21. April sicherlich auf einen besinnlicheren Tag eingestellt. In Cubuk, ungefähr 40 Kilometer nördlich von Ankara, nahm er an einer Beerdigung eines gefallenen Soldaten teil, der bei Kämpfen mit kurdischen Milizen ums Leben kam. Doch es kam anders:
Die Stimmung unter den Besuchern ist aufgeheizt. Als der CHP-Vorsitzende zur Beerdigung kommt, eskaliert die Situation. Eine aufgebrachte Menschenmenge attackiert den 70-Jährigen - die wilde Meute umzingelt ihn, von allen Seiten prasseln Schläge auf ihn ein, ein paar Fausthiebe treffen ihn im Gesicht.
https://www.dw.com/de/t%C3%BCrkei-eine- ... 48589652-0
Wie kam es dazu? Erdogan hatte während dem Wahlkampf, den CHP-Vorsitzenden immer wieder mit der PKK in Verbindung gebracht. Kilicdaroglu selbst hat kurdische Wurzeln, setzt sich aber als Vorsitzender der faschistischen Kemalistenpartei, selbstverständlich
nicht für die Rechte von Minderheiten ein (das würde der Denke, des Staatsgründers ja widersprechen). Nichtsdestotrotz entwickelte sich in den letzten Wahlen eine Art Zweckbündnis zwischen der größten türkischen Oppositionspartei und der größten kurdischen Partei im Land, der HDP, um Erdogan zu schwächen.
Der Vorfall in Cubuk bewies wieder einmal wie leicht man in der Türkei einen Mob mobilisieren kann, der sich gegen "innere Feinde" richtet. Manch Apologet würde dies damit rechtfertigen, dass die türkische Gesellschaft sehr empfindlich auf die Terrororganisation PKK reagiert. Was dagegen spricht: die weitverbreitete Kultur der Lynchjustiz wurde lange vor der Gründung der PKK "zelebriert". Die Opfer waren und sind immer dieselben: Christen, Alaviten und Kurden - die einzig verbliebenen Randgruppen in der "Türkei".
In dieser Woche gab es wieder einen Vorfall.
Eine Gruppe kurdischer Touristen aus dem "Irak" wurde von einem türkischen Mob in Trabzon fast zu Tode geprügelt - vor den Augen der Polizei. Das Vergehen der Touristen: sie trugen einen Schal mit dem Schriftzug "Kurdistan".
https://twitter.com/mutludc/status/1152059850664435713
Die Folgen dieser Gewalttat? Wurden die Täter bestraft oder die Polizisten für das fehlende Eingreifen zur Rechenschaft gezogen? Fehlanzeige. Die Opfer, hingegen, wurden festgenommen und wie Schwerverbrecher deportiert. So erhält der Begriff Lynchjustiz in der Türkei eine sinngemäße Bedeutung. Diese rassistisch-motivierte Gewalttat ist den internationalen Medien aber keine Schlagzeile wert. Wieso auch? Rassismus in der Türkei ist institutionalisiert und gesellschaftlich verankert. Viel wichtiger ist es da, über die weitaus dramatischere Lage in Palästina zu berichten.
Make Kurdistan Free Again...