Jekyll hat geschrieben:Wieso nicht? Sie schreiben ja so, als ob die betroffenen Kurden/Organisationen keine Wahl hätten und sie notgedrungen die Massenexekutionen durchführen mussten. Diese bemerkenswert milde Sichtweise lassen Sie aber bei der Bewertung anderer Ethnien nicht walten ("Halsabschneider-Truppen" und sowas). Sie messen hier mit zweierlei Maß.
Nein, ich schrieb nirgendwo, dass die betroffenen Kurden keine andere Wahl hatten. Ganz im Gegenteil! Bei Ihnen hapert es aber nunmal am Textverständnis.
Ich habe geschrieben, dass man, wenn man wirklich keine andere Möglichkeit mehr sieht, Exekutionen in einem juristischen Rahmen (Militärgericht) durchführen muss. Denn neben der Exekution gab und gibt es nur zwei weitere Alternativen:
1. Man übergibt die total radikalisierten ausländischen Jihadisten ihren Herkunftsländern als Gefangene wieder und versucht lokale IS-Kämpfer zu resozialisieren.
2. Man versorgt die Kämpfer in seinen Gefängnissen gemäß den Genfer Konventionen.
Zum ersten Punkt: Die Herkunftsländer dieser Jihadisten wollen sich dieses "Problem" nicht ins Land holen (deshalb ist der internationale Fokus auf das Schicksal dieser Jihadisten nicht so groß). Inwieweit lokale IS-Kämpfer resozialisiert werden, ist mir nicht bekannt. Fakt ist aber, dass sehr viele IS-Kämpfer gefangen genommen wurden und die Zahl der Exekutierten (laut HRW) nur ein kleiner Prozentanteil an den noch verbliebenen Gefangenen ist.
Zum zweiten Punkt: Die Autonomieregion Kurdistan beherbergt prozentuell gesehen, fast die meisten Flüchtlinge aus diesem IS-Konflikt (Sunniten, Christen, Turkmenen, Yeziden und andere religiöse Minderheiten). Dies verschlingt nunmal viel Geld. Hinzu kommt, dass sich die Autonomieregion seit Anfang 2014 in einer großen finanziellen Notlage befindet, weil Baghdad seitdem nicht mehr den Haushalt schickt. Die Beamten in Kurdistan erhalten seit 2014 keine vollen Gehälter mehr. Den Beamten wurden bis dato fast zwei Jahresgehälter (!!) nicht ausgezahlt. Abgesehen vom finanziellen Standpunkt, kommt auch noch ein weiterer hinzu - die Ausbruchgefahr. Der IS hat überall im Irak seine Schläferzellen und kann überall agieren.
Das ist derzeit die Lage im Nordirak. Ist es eine Rechtfertigung für diese Art von Hinrichtungen? Nein! Gewiss nicht. Und trotzdem passt die Relation im Gesamtkontext nicht.
Ich messe hier auch nicht mit zweierlei Maß. Selbst wenn ich kein Kurde wäre, würde ich mich nunmal nicht mit den Tätern solidarisieren. Weshalb sollte man als ein halbwegs vernünftiger Mensch eine milde Sichtweise bei Kämpfern (ja, Kämpfer) zulassen, die zuvor Sexsklaven hielten und Menschen nur aufgrund ihrer Ethnie oder Religion erbarmungslos abschlachteten? Weshalb sollte man dies tun, sofern man kein menschenverachtender IS-Sympathisant ist? Natürlich werde ich weiterhin all jene als Halsabschneider bezeichnen, die von sich aus Menschen angreifen und dabei auf brutalste Art ermorden. Natürlich werde ich weiterhin pro-türkische Jihadisten die in Aleppo Kinder enthaupteten als Halsabschneider bezeichnen. Was sonst? Welche milde Sichtweise erwarten Sie denn? Diese Kämpfer töten und massenmorden. Das die Gegenseite (also die Opfer, denn nicht die Kurden sind in fremde Siedlungsgebiete und haben solche Verbrechen begangen) dann die ultimative Strafe gegen die gefangengenommenen Massenmörder anwendet ist natürlich auch bedenklich und trotzdem ist ein Unterschied erkennbar. Nein, hier geht es nicht um Verbrechen aufrechnen. Denn diese Verbrechen sind nunmal nicht vergleichbar.
Jekyll hat geschrieben:Tja, die Amnesty International sieht das nunmal anders, ebenso Human Rights Watch. Warum sollte man Ihren Worten mehr Glauben schenken als diesen Organisationen?
Ja, und weiter? Nicht einmal die Arabische Liga (arabisch-nationalistisch geprägt) spricht von ethnischen Säuberungen. Auch die Vereinten Nationen haben dies nicht bestätigt. Also man könnte bezahlten Agenten wie Lama Fakih (arabische Nationalistin) die für NGOs arbeiten gewiss mehr Glauben schenken als der UN. Man glaubt eben, was man glauben will.
AI und die Türkei berichteten auch, dass die YPG in Nordsyrien ethnische Säuberungen durchführen. Die Türkei brachte den Fall sogar vor die UN. Was kam dabei heraus?
The U.N. Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic released a new report that refused allegations by Amnesty International and Turkey that the Kurds have been involved in ethnic cleansing in northern Syria.
“Though allegations of ‘ethnic cleansing’ continued to be received during the period under review, the Commission found no evidence to substantiate claims that YPG [Kurdish People’s Protection Units] or SDF [Syrian Democratic Forces] ever targeted Arab communities on the basis of ethnicity, nor that YPG cantonal authorities systematically sought to change the demographic composition of territories under their control through the commission of violations directed against any particular ethnic group,” the UN said.
“Our latest @UNCoISyria report finds temporary displacements carried out by SDF or YPG in northern Syria were done with military necessity,” the UN Syria Commission said.
“Across northern Syria, SDF or YPG forces displaced communities in order to clear areas mined by ISIS during their withdrawal,” the UN report said.
However, it said: “In some cases, SDF or YPG forces did not provide adequate humanitarian aid such as tents or water to displaced communities. YPG forces further continue to forcibly conscript men and boys for military service.”
Syrian Kurdish officials see the UN report as a proof that the earlier allegations by Amnesty International and Turkey were wrong and politicized.
The Turkish government kept accusing the Kurds of ethnic cleansing against Arabs.
“If they keep their word, they have guaranteed us because the YPG/PYD conduct ethnic cleansing wherever they go,” Turkish Foreign Minister Mevlüt Çavuşoğlu said on June 7 2016.
However, Kurdish officials have repeatedly denied these allegations as propaganda and pointed out that Turkey and Turkish-affiliated rebels have been involved in displacing Kurdish civilians in Northern Aleppo.
http://www.kurdishinstitute.be/un-says- ... ern-syria/
Ich entnehme direkt aus dem Bericht der UN:
109. The terrorist group Jabhat Fatah al-Sham continued to carry out summary executions including stoning of women accused of extramarital relations. The group continues its practice of recruiting and using children, some younger than fifteen, throughout Idlib governorate. Throughout the period under review, coordinated attacks with armed groups launched by indirect artillery fire resulted in dozens of civilian casualties including of many children.
Die Rede ist hier vom syrischen Ableger der Al-Qaida, die von der Türkei unterstützt werden und ihrerseits desöfteren schon türkische Militärkonvois eskortieren.
Der Fairness halber, zitiere ich aber auch noch die Schlußbemerkung des Berichts über die Vergehen der YPG:
111. Across northern Syria, SDF or YPG forces displaced communities in order to clear areas mined by ISIL during their withdrawal. In some cases, SDF or YPG forces did not provide adequate humanitarian aid such as tents or water to displaced communities. YPG forces further continue to forcibly conscript men and boys for military service.
Jekyll hat geschrieben:Natürlich wäre das nicht legitim, aber es sind Kolateralschaden. Haben Sie genau Zahlen darüber, und stimmt es überhaupt, was Sie da erzählen? Ich denke, die Türkei und ihre Verbündeten gehen da noch recht behutsam vor, daher das zähe Vorankommen. Wenn sie wirklich so brutal und rücksichtslos wären wie Sie dies suggerieren, wäre Afrin längst vollständig in türkischer Hand.
Ich richte mich nach vielen Berichten, u.a. auch der SOHR, die nicht gerade als pro-kurdisch gilt. Googlen können Sie auch selber, das werde ich für Sie nicht übernehmen. Ich kaufe Ihnen auch nicht ab, dass Sie keine sozialen Medien nutzen. Da berichten Ihre Landsmänner doch schon genug von ihren Heldentaten. Der in der Türkei beliebteste Hashtag #YansınSuriyeYıkılsınAfrin (Syrien soll brennen, Efrîn zerstört werden) dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Oder die vielen Bilder, wo türkische Soldaten heldenhaft vor Leichen posieren. Ein gewisser Hang zur Leichenschändung ist ja innerhalb der türkischen Armee bemerkbar - nicht wahr? Aber gut, reden wir nicht über den Umgang der türkischen Terrorarmee mit Terroristen/Kämpfern der PKK. Das ist nunmal Krieg. Reden wir lieber von den zivilen Opfern, bzw. den Kollateralschäden. Ich stelle mir die Frage, weshalb Sie hier so scheinheilig nach Zahlen von zivilen Opfern fragen. Als ob Sie das Schicksal von unschuldigen kurdischen Zivilisten interessieren würde. Interessiert es Sie ob es 100 oder 1000 sind? Interessiert es Sie, ob die gesamte Bevölkerung in Efrîn getötet wird? Also wer schon rhetorische Begriffe wie Kollateralschäden nutzt, der wird dies beliebig oft verwenden - unabhängig von den Opferzahlen und wer vorort wirklich getötet wird. Der gesamte völkerrechtswidrige Angriffskrieg Ihrer Terrorarmee richtet sich an die kurdische Bevölkerung in Efrîn - ja, die Zivilisten. Die Bevölkerung ist das Problem. Deshalb möchte Erdogan auch das Gebiet entkurdisieren. Deshalb hat sich Erdogan auch nicht mit der ENKS zusammen gesetzt. Die ENKS, ist eine kurdische Bewegung die in Opposition zur PYD steht. Wissen Sie das? Verstehen Sie das alles überhaupt? Oder konsumieren nur türkische Medien? Erdogan interessiert sich nicht dafür, die PYD/YPG aus Efrîn zu vertreiben, damit sich die Kurden vorort dann wieder selbst regieren können, nur unter anderen Politikern (ENKS). Efrîn ist aber eine Region, die ausschliesslich von Kurden besiedelt wird. Erdogan hat klipp und klar angekündigt, dass Araber und Turkmenen (die "rechtmäßigen" Besitzer der Region) regieren werden. Erdogan hat klar und deutlich angekündigt, arabisch-sunnitische Flüchtlinge aus Idlib und Aleppo in Efrîn anzusiedeln. Das mein lieber Freund, sind ethnische Säuberungen. Eine planmäßig durchgeführte Übernahme von Siedlungsgebieten. Darin haben die Türkei ja sehr große Erfahrungen - darin sind sie Meister! Denn kein Quadrat Zentimeter Land auf dem sich Ihre Landsmänner heute befinden, war türkisches Siedlungsgebiet. Nun, das ist mittlerweile Vergangenheit - schon klar. Aber selbst damit kommt die heutige Türkei nicht klar. Man stellt territoriale Ansprüche hier und da - sei es auf Zypern, Griechenland, dem Balkan, Irak, Syrien, Israel, Nordafrika, usw.
Und zum derzeitigen Vorgehen der türkischen Armee in Efrîn: die türkische Armee geht mit aller Härte vor und hat gewiss noch nicht alles hinein geworfen, aber schon sehr viel Kraft. Das Problem ist nunmal das Gelände. Hinzu kommt, dass die PKK (auch wenn Sie diese Bewegung hassen) eine gewisse militärische Disziplin und Ordnung besitzt und vorort großen Widerstand leistet. Ja, die PKK hat speziell in den letzten Jahren viel Erfahrung gesammelt und natürlich auch schwere Waffen erhalten - von wem auch immer. Es ist trotzdem weiterhin ein Krieg zwischen David und Goliath - aber unterschätzen Sie die Gegenseite nicht so maßlos. Ohne die Lufthoheit sähe es sowieso ganz anders aus...
Jekyll hat geschrieben:Sie vergleichen hier Äpfel mit Birnen. Sie können Massenerschießungen von Gefangenen oder gezielte Vertreibung von Zivilisten nicht mit Kolateralschäden, die in einer militärischen Auseinandersetzung nunmal zwangsläufig generiert werden, gleichsetzen!
Niemand hat die Zivilisten gezielt vertrieben! In welchem Bericht soll das bitteschön stehen? Zitieren Sie diese Quelle doch! Die von Ihnen erwähnten Berichte der NGOs erwähnen klar und deutlich die Kriegshandlungen zwischen dem IS und den kurdischen Peshmerga - ja das nennt man eine militärische Auseinandersetzung. Nachdem die Kurden (mithilfe der USA) den IS vertrieben, floh auch die Zivilbevölkerung. Danach haben die Peshmerga, die Rückkehr von Zivilisten aus einigen wenigen Dörfern verhindert. Man hat sie an einer Rückkehr gehindert, weil aus diesen Dörfern zu viel Unterstützung für den IS kam. Die Kurden befanden und befinden sich aber weiterhin in einem Krieg mit dem IS. Hinter den Frontlinien Zivilisten zu haben, die mit dem IS kooperieren ist nunmal gefährlich - zu gefährlich für eine Truppe wie die Peshmerga die ohne die Unterstützung der USA den IS nicht einmal besiegt hätten. Wenn aber die Türkei ein Gebiet angreift, dass außerhalb ihrer Grenzen ist, von dieser Region die eine Enklave ist keinerlei Gefahr ausging und ausgeht und dabei unschuldige Zivilisten tötet, dann ist die Rede von Kolletaralschäden im Zuge von militärischen Auseinandersetzungen? Ja, ich vergleiche hier wirklich Äpfel mit Birnen - da haben Sie Recht.
Der Angriffskrieg der Türkei ist völkerrechtswidrig. Die Intention der Türkei ist die Veränderung der Demographie in Efrîn. Die Türkei möchte dieses Gebiet, das offiziell zu Syrien gehört, unter seinem Einfluss haben und greift somit ja die territoriale Integrität Syriens an (wenn man es genau nimmt). Die Türkei vertritt lediglich seine kolonialen Interessen - sei es in Efrîn oder anderswo, wo man mit Krieg droht. Und wenn dann unschuldige Zivilisten von türkischen Bomben getötet werden ist das mit großer Sicherheit schlimmer als wenn IS-Kämpfer exekutiert werden oder wenn IS-Unterstützer an der Rückkehr in "ihre" (es sind nicht einmal ihre Gebiete gewesen, diese von AI dokumentierten Gebiete wurden seit den 1960er Jahren nachweislich arabisiert) Dörfer gehindert werden.
Jekyll hat geschrieben:Es ist da ein gemeinsamer Muster zu erkennen, völlig unabhängig davon, in welchem Land kurdische Milizionäre wüten. Sie selbst reden doch immer von "Kurdistan" unter Missachtung der Landesgrenzen, in die die kurdischen Gebiete eingebettet sind. Woher plötzlich Ihre Vorliebe für Landesgrenzen?
Ich habe keine Vorliebe für Landesgrenzen die künstlich gezogen wurden, bzw. gegen den Willen der lokalen Bevölkerung sind. Grenzen sind nicht heilig und unantastbar - das hat uns die Geschichte gelehrt. Aber wenn man diese Grenzen schon infrage stellt (so wie ich es tue), dann muss es dafür auch eine vernünftige Begründung geben. Das die Türken groß und stark sein wollen und die ganze Welt regieren wollen, ist nunmal keine vernünftige Begründung dafür, dass Erdo immer wieder territoriale Ansprüche auf Gebiete seiner Nachbarstaaten stellt.
Ich habe Ihnen ganz konkret die Frage gestellt, was genau das Vorgehen der kurdischen Partei PDK im Nordirak mit dem Vorgehen der Türkei gegen die PKK/PYD in Efrîn zu tun hat?! Die PDK ist zwar eine kurdische Bewegung, aber ein großer Gegner der PKK - das wissen Sie wohl auch. Hier geht es um keine Landesgrenzen, sondern um Akteure. Wenn Sie über das Vorgehen der PKK in der Türkei, oder im Iran oder anderswo reden würde, ja dann hätte es einen Bezug. Immerhin behauptet die Türkei ja, nur gegen die PKK/PYD in Efrîn zu kämpfen und nicht gegen Kurden.
Aber Sie scheinen halt ein ehrlicher Türke zu sein. Sie reden konkret von allen kurdischen Milizionären. Sie schmeissen alle Kurden in einen Topf - und kriminalisieren sie als Ganzes. Genau darum geht es ja auch. Die Türkei führt in Efrîn einen Kampf gegen DIE Kurden. Ich danke Ihnen, dass Sie das auch noch einmal so eindrucksvoll bestätigen (auch wenn es diese Bestätigung gar nicht benötigt).
Make Kurdistan Free Again...