Sollten dir meine genauen Worte über extreme Veganer bereits nach kurzer Zeit und einem geringen Umfang an gewechselten Beiträgen entgangen sein, empfehle ich dir zwecks Realitätscheck ein paar Seiten zurückzublättern. Extremisten mag ich grundsätzlich nicht, weder auf der Gegenseite noch unter Glaubensgenossen. Insofern erübrigt sich auch die Antwort auf deine Frage, ob Streiter für das "Menschenrecht auf Wohlstand" mir etwas madig machen wollten. Die Früchte meiner Arbeit werden sie sogar eher nicht im madigen Zustand haben wollen.apartofme hat geschrieben:(04 Nov 2016, 04:22)
Ich für meinen Teil kann die Argumente von Antispeziezisten zwar sehr gut nachvollziehen, gehöre dieser Strömung aber nicht an. Demzufolge finde ich natürlich nicht, dass allen Lebewesen ein Recht auf Leben zusteht und ich finde es bemerkenswert, dass du mir diese Frage stellst, nachdem du dich hier im Thread über Veganer ausgelassen hast, die dir dein Steak madig machen wollen. Empfindest du etwa auch, dass Menschen, die allen Menschen ein Recht auf Leben oder Wohlstand zugestehen, dir etwas madig machen wollen? So hatte ich deinen Absatz über deine Kindheitserfahrungen nicht verstanden, aber es macht durchaus Sinn. Wenn diese Diskussion dir aber sauer aufstößt, weil du sie als moralisierend empfindest und nicht so gern über Moral nachdenkst, können wir sie uns auch schenken, denn dann kommen wir hier nie auf einen grünen Zweig.
Wie schon erwähnt, sind Reichsürger gewöhnliche Bürger mit gleichen Rechten und Pflichten wie ihre Mitbürger. Auf ihrem eigenen Grundstück dürfen sie alles machen, was nicht ungesetzlich ist. Sollte ihnen also selbst die beinahe vollständige Isolation gelingen, werden sie dem Staat Grundsteuer entrichten müssen - aber selbstverständlich nicht in -kraft Selbstherrlichkeit selbst gedruckter- eigener Währung.Die Erwähnung von Reichsbürgern oder Kinderarbeit ist kein Ausweichen, sondern soll beispielhaft darlegen, warum die entsprechenden Argumente für mich nicht überzeugend sind und hat zum Ziel, da eine gewisse Trennschärfe hereinzubringen. Im Kontext der Kinderarbeit ging es darum, zu vermitteln, warum das Argument, die "positiven" Aspekte einer Verwaltungsgliederung auf nationaler Ebene und den "negativen" Aspekte der Diskriminierung an den Außengrenzen ließen sich in zwei unterschiedliche Nationalismen aufschlüsseln, für mich nicht überzeugend ist. Das ist kein Ausweichen, sondern es ist eine Auseinandersetzung mit deinem Argument. Das Beispiel der Kinderarbeit, die im funkelnden Kleidungsgeschäft nicht sichtbar ist, soll dir nur klar machen, warum ich es für zu kurz gegriffen halte, das Bauamt von Berlin unabhängig beispielsweise von Frontex zu denken. Das Beispiel mit dem Reichsbürger wurde deshalb gewählt, weil es deutlich macht, warum die Ablehnung des Nationalismus nicht zwangsläufig die Ablehnung von Grenzen zwischen den heute als Staaten existierenden Territorien bedeutet (so wie die Ablehnung der Anerkennung des 'Reiches' eines Reichsbürgers nicht zwangsläufig bedeutet auch abzulehnen, dass dieser sich auf seinem eigenen Grundstück befindet). Damit wurde im jeweiligen Fall ganz genau die Frage beantwortet, die du gestellt hast, nämlich zu präzisieren, wie ich meine Ablehnung des Nationalismus im Detail verstehe, bzw. wie weit sie geht.
Dass das sich ggf. von deiner Seite unbefriedigend anhört, bedeutet nicht, dass ich deinen Fragen ausweiche. Es bedeutet lediglich, dass das, wonach du mich im Detail fragst, überhaupt nicht in einem so kleinen Rahmen erklärt werden kann (denn wir befinden uns hier immer noch am Rande einer Diskussion um den Kurdenkonflikt, respektive ursprünglich sogar nur um die Frage, ob die Türkei noch eine Demokratie ist). Vor allen Dingen empfinde ich es von meiner Seite auch überhaupt nicht als gerecht, diese Frage in aller Ausführlichkeit gegenüber jemandem zu erläutern, der mir seinerseits hauptsächlich Fragen stellt, die mit der Angelegenheit allenfalls nur am Rande zu tun haben und ihre wirkliche Substanz nicht betreffen (so beispielsweise die Frage von Humanismus vs. Speziezismus oder auch (siehe unten) die Frage über die Sprache in einer Welt ohne Nationalismus).
Da die Detailfrage im Falle der Sprachen eine sehr interessante ist und auch im unmittelbaren Zusammenhang zur Lage der Demokratie, des Rechtsstaates und der kurdischen Nationalisten in der Türkei steht, sei an dieser Stelle erwähnt, dass es weltweit geschätzt 6800 unterschiedliche Sprachen gibt. Dass du dazu keine genaue Stellung nehmen möchtest, kann ich nachvollziehen, schleierhaft ist mir jedoch, warum du nachfolgend die sprachliche Zersplitterung (subtil und anhand vereinzelter Länder) als unproblematisch darstellst:
wo doch in verlinkter Studie gerade negative Korrelationen zwischen sprachlicher Zersplitterung und der Regierungsqualität sowie dem Wirtschaftswachstum belegt werden. Kannst du mir das bitte erklären?Ich verstehe überhaupt nicht, welches Problem du in der Mehrsprachigkeit in einer Gesellschaft siehst. Wie ich bereits erwähnt habe, gibt es mehrsprachige Länder und sogar Länder, in denen die sprachlichen Grenzen vollkommen unabhängig von irgendwie gearteten (auch regionalen) Verwaltungsgliederungen sind (vgl. z.B. hier). Dies bedeutet nicht, dass in diesen Ländern deshalb ein Chaos ausbricht. Es gibt sogar Studien darüber, wie sich sprachliche Fraktionalisierung beispielsweise auf die Konfliktbereitschaft oder auch die wirtschaftliche Performance von solchen Ländern auswirkt.
Um auf das Beispiel mit dem Afrikaner zurück zu kommen: Es suchen sich Menschen gewöhnlich den Arzt, der ihnen am besten gefällt und ich denke nicht, dass ich einem Afrikaner erzählen muss, welchen Arzt er aufzusuchen habe. Noch habe ich einen Afrikaner zu zwingen, eine bestimmte Sprache zu sprechen. Das bedeutet nicht, dass es nicht von Vorteil sein kann, wenn Menschen, die miteinander agieren, dieselbe Sprache sprechen (denn das erkenne ich zweifellos an), aber das macht es (selbst in einer Welt mit existenten Staatsgrenzen) nicht zu einer Notwendigkeit. Es handelt sich also um ein gänzlich anderes Thema.
Was eine Menschheit angeht, in der sich jeder fröhlich gegenseitig hilft, obwohl Menschen nicht dieselbe Sprache sprechen, habe ich erstens möglicherweise andere Erfahrungen gemacht, als du - und zweitens immer noch den Eindruck, dass du dir vorstellst, dass du in einer Welt ohne Nationalismus ein Bauamt in Usbekistan aufsuchen musst, um deine Garage genehmigt zu bekommen. Das ist aber nicht der Fall und bloß ein vollkommen abstruses Beispiel, das mit der Realität überhaupt nichts zu tun hat. Denn obwohl Berlin keine souveräne Nation ist, wirst du auch nicht zu einem Bauamt nach Brandenburg gehen, um deine Garage genehmigt zu bekommen. Ich weiß wirklich nicht, ob ich das noch näher erläutern muss, denn es kommt mir an dieser Stelle geradezu lächerlich vor, solch simple Dinge erklären zu müssen.
Übrigrigens, wie du gewiss weißt, haben Bauämter nicht nur Zuständigkeitsbereiche, sondern auch die zuständigen Sachbearbeiter Ermessensspielräume. Selbst bei gleicher Rechtslage kann ein Antrag unterschiedlich beschieden werden, einfach weil der eine Kollege gut gelaunt ist und der andere an der Nase des Antragsstellers Anstoß nimmt. Klar, das ist jetzt keine weltbewegende Angelegenheit wie "freier Wohlstand für alle, der letzte zahlt", aber schon überaus ärgerlich, wenn man das eigene Treiben auf dem eigenen Dachboden an der Laune von Sachbearbeitern ausrichten muss - obwohl man auch noch dafür zahlt.
Was wären das denn für Verwaltungsgliederungen, die Menschenrechte beachten und dabei kein "schlechter Nationalismus" sind? Ich hoffe doch auch solche, wo das Ermessen nichts Schlechtes oder noch Schlechteres sein kann?Dahinter können wir sicherlich einmal kommen, wenn das Thema für dich denn wirklich so interessant ist, und ich habe ja ein wichtiges Beispiel bereits genannt, nämlich die Tatsache, dass Nationen ihrer inneren Logik und Wirkungsweise nach nicht oder nur sehr begrenzt auf das allgemeine Wohl der Menschen, die Wahrung ihrer Würde und die Sicherstellung ihrer Menschenrechte, hinwirken können.
Die "Verwaltungsgliederung" lässt sich überdies natürlich nicht gleichzeitig abstrakt und konkret denken, denn die konkrete Verwaltungsgliederung einer Nation ist zweifellos Teil ihrer nationalistischen Rechtsordnung, folglich Teil ihres Nationalismus und damit - genau! - schlecht. Das bedeutet aber nicht, dass alle denkbaren Verwaltungsgliederungen schlecht sind, denn es sind auch Verwaltungsgliederungen denkbar, die nicht nationalistisch sind.
Sei unbesorgt, an deinem Wunsch, Steuern und Abgaben erheben zu lassen, habe ich nie gezweifelt, immerhin muss ja in unserer komplexen Gesellschaft das Recht, das ein Rechtefinder gefunden und dem Rechteinhaber zugesprochen hat, ja irgendwie im Detail durchgesetzt werden. Apropos Rechtedurchsetzung: Wenn nun ein Rechteinhaber sein Recht auf Augenlasik gegen den Augenarzt durchsetzt, der besagte Augenarzt also leisten muss, zugleich aber auch derjenige ist, der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss, wie soll er da letztgenanntes hinbekommen?Es ist gleichzeitig bemerkenswert aber für mich auch nicht besonders überraschend, dass du als der erste, der hier die "Grund- und Menschenrechte" angesprochen hat, ein paar Seiten später der erste bist, der seine grundsätzliche Skepsis gegenüber wichtigen Menschenrechten zum Ausdruck bringt, denn wie in der Kirche sind die ersten, die von der Moral anfangen sind in der Regel auch die ersten, die sie schnell wieder vergessen haben. Ein Arzt muss nicht unentgeltlich leisten, sondern er bekommt hierfür Geld, das der Öffentlichkeit durch Steuern und ggf. Beiträge in die öffentliche Sozialversicherung zur Verfügung steht. Vielleicht verwechselst du mich gerade mit einem Rechtslibertären, der gegen Steuern und Abgaben ist. Das bin ich aber nicht. Es ist auch so, dass dieses System sich nicht erst beweisen muss, sondern dass es bereits existiert, denn in Deutschland - und in den meisten anderen Industrienationen auch - sind bereits wichtige Teilhaberechte verwirklicht, von denen ich einige schon genannt habe.
Wen diesbezüglich unsere komplexe Gesellschaft zu sehr verwirrt, der kann sich auch eine fröhliche Aussteigergemeinschaft denken, die irgendwo auf dem Grund des Atlantiks oder auf dem Mars einen freien Platz gefunden hat, wo noch kein Staat ist. Sie hat es auch irgendwie geschafft, dort hinreichende Infrastruktur aufzubauen. Nun kommt ein Rechteinhaber zum Arzt und macht ein Recht auf Behandlung geltend. Der fröhliche Hippiearzt, der auf den Computerbildschirm schaut und fröhliche drei Viertel der Einwohner seiner fröhlichen Siedlung in seinem Wartezimmer darauf warten sieht, auch ihre Rechte auf Behandlung durchzusetzen. Nun fragt er sich, wie das funktionieren kann und ob ihm selbst nicht auch irgendwelche Rechte zustehen, z.B. ein Recht auf eine Mittagspause zusammen mit dem Recht auf einen Apfel vom Apfelbaum seines fröhlichen Nachbars, der übrigens nicht zusammen mit den anderen im Wartezimmer des Arztes sitzt, weil er normalsichtig ist, so gut wie nie krank wird und sonst auf Bachblüten schwört.