Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Moderator: Moderatoren Forum 3

Benutzeravatar
Misterfritz
Vorstand
Beiträge: 34668
Registriert: So 4. Sep 2016, 15:14
user title: Cheffe vons Rudel
Wohnort: badisch Sibirien

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Misterfritz »

Das Salz in der Suppe des Lebens ist nicht Selbstdisziplin, sondern kontrollierte Unvernunft ;)
Benutzeravatar
Cat with a whip
Beiträge: 13325
Registriert: Fr 4. Jul 2008, 21:49

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Cat with a whip »

"Die Erde ist ein Irrenhaus. Dabei könnte das bis heute erreichte Wissen der Menschheit aus ihr ein Paradies machen." Joseph Weizenbaum
Vardarovic

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Vardarovic »

Diktator Erdogan sollte wissen, was nach fest kommt: ab.
Er führt zurzeit einen Vierfrontenkrieg:

a) Krieg innerhalb der Türkei gegen die zivile Bevölkerung ohne Kurden
b) Krieg innerhalb der Türkei gegen Kurden (als Fortsetzung, dauert seit 1923 an)
c) Krieg gegen Gülen & Co.
d) Krieg ausserhalb der Türkei, dabei träumend, dass er auf einem fliegenden Pferd das Osmanat neu errichten werde.

Den Dauerkrieg gegen die EU und alle Künstler dieser Welt gar nicht berücksichtigt.
Grund genug, dass es innerhalb der Türkei zu einer Implosion kommen könnte.

...
Türkei enteignet Tausende Firmen und Institutionen
http://www.tagesspiegel.de/politik/nach ... 37568.html

Erdogans Bilanz: 81.000 suspendiert, 35.000 festgenommen
http://www.tagesspiegel.de/politik/nach ... 11072.html

Abwarten, einen Pernod geniessen, es kommt noch was aus der Richtung.
Vardarovic

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Vardarovic »

Das NATO-Land Türkei will Teil der EU werden.
Hier die Empfehlungstaten der jüngsten Zeit:
In der Türkei sind inzwischen mehr Journalisten inhaftiert als in China,
berichtet Reporter ohne Grenzen.
Seit dem gescheiterten Putschversuch Mitte Juli seien mindestens 99 Journalisten und Schriftsteller verhaftet worden
Zudem seien von den Behörden mehr als 100 Medien geschlossen worden.
Dadurch hätten 2.300 Journalisten ihre Arbeit verloren.
In der Türkei seien mehr als 130 Journalisten im Gefängnis,
sagte Dündar.
"Was gerade in der Türkei passiert, ist eine beispiellose Säuberungsaktion gegen die Medien und Journalisten",
sagte eine Sprecherin.
Quelle:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016 ... resolution

Die Zukunft der Türkei sieht gut aus:
Nach dem Putsch stehen alle Zeichen auf türkisch-islamische Synthese.
Der autoritären Gleichschaltung Erdogans beugt sich selbst das Parlament und wird demnächst seiner Entmachtung zustimmen.
Quelle:
https://www.welt.de/debatte/kommentare/ ... Gosse.html
Atheist

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Atheist »

Die türkischen Anti-Terror-Bemühungen haben zu einer Auslastung der vorhandenen Gefängnisse von bis zu 200 und mehr % geführt (zusätzlicher Platz wurde durch die vorzeitige Entlassung anderer Straftäter geschaffen). Nun soll sich in den nächsten 5 Jahren alles bessern: http://orf.at/m/stories/2358243/ Dann könnten noch mehr Gefährder von der Gesellschaft abgesondert werden, um den türkischen Staat zu schützen.

Das zeigt, dass yes, Erdogan can build Guantanamo - damit könnte auch die Türkei endlich zum voll akzeptierten NATO-Mitglied und nicht nur einen lästigen, aber strategisch wichtigen Partner aufsteigen.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Atheist hat geschrieben:(28 Oct 2016, 16:25)

Die türkischen Anti-Terror-Bemühungen haben zu einer Auslastung der vorhandenen Gefängnisse von bis zu 200 und mehr % geführt (zusätzlicher Platz wurde durch die vorzeitige Entlassung anderer Straftäter geschaffen). Nun soll sich in den nächsten 5 Jahren alles bessern: http://orf.at/m/stories/2358243/ Dann könnten noch mehr Gefährder von der Gesellschaft abgesondert werden, um den türkischen Staat zu schützen.

Das zeigt, dass yes, Erdogan can build Guantanamo - damit könnte auch die Türkei endlich zum voll akzeptierten NATO-Mitglied und nicht nur einen lästigen, aber strategisch wichtigen Partner aufsteigen.
Mit sehr wenigen Worten sehr viel gesagt, das zeichnet deine Beiträge ja schon immer aus. Respekt. Tatsächlich muss ich, der ich zu den berühmt-berüchtigten Verteidigern der Türkei gehöre, zugeben, dass aktuell von einer türkischen Demokratie nicht mehr gesprochen werden kann. Die komplette Opposition im Gefängnis bedeutet Diktatur, ohne wenn und aber.
Dennoch interessant ist natürlich der ironische Hinweis auf die Heuchelei der Turkophoben, die laut schreiend mit dem Finger auf türkische Verhältnisse zeigen, beim Blick auf amerikanische Verhältnisse jedoch den Stetson über die Augen rutschen lassen.
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 16:50)

Mit sehr wenigen Worten sehr viel gesagt, das zeichnet deine Beiträge ja schon immer aus. Respekt. Tatsächlich muss ich, der ich zu den berühmt-berüchtigten Verteidigern der Türkei gehöre, zugeben, dass aktuell von einer türkischen Demokratie nicht mehr gesprochen werden kann. Die komplette Opposition im Gefängnis bedeutet Diktatur, ohne wenn und aber.
Dennoch interessant ist natürlich der ironische Hinweis auf die Heuchelei der Turkophoben, die laut schreiend mit dem Finger auf türkische Verhältnisse zeigen, beim Blick auf amerikanische Verhältnisse jedoch den Stetson über die Augen rutschen lassen.
Die Frage ist, wann war die Türkei jemals eine Demokratie? Noch nie. Was genau hat sich denn jetzt verändert im Gegensatz zu vorher?
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 17:34)

Die Frage ist, wann war die Türkei jemals eine Demokratie? Noch nie. Was genau hat sich denn jetzt verändert im Gegensatz zu vorher?
Ausnahmezustand?
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:03)

Ausnahmezustand?
Gabs alles auch schon vorher. Die Türkei war vorher genauso undemokratisch. Im Endeffekt hat da eine Militärjunta geherrscht. Erdogan führt dieses Prinzip einfach weiter, nur das er die Macht auf sich übertragen hat.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 17:34)

Die Frage ist, wann war die Türkei jemals eine Demokratie? Noch nie. Was genau hat sich denn jetzt verändert im Gegensatz zu vorher?
Das ist nicht richtig. Erdogan hatte in seinen "Gründerjahren" eine ganz starke Phase und die Türkei aus dem Erbe des großen Ata in Richtung einer modernen Gesellschaft geführt. Das war eine sehr schwierige Aufgabe. Man darf nicht vergessen, dass die Türken vor nicht allzulanger Zeit ein kontinentumspannendes Reich besaßen mit starken militärischen Führern. Als sie an der Seite Deutschlands und mit Deutschland im 1. Weltkrieg untergingen mussten sie sich mühsam an ihre neue Position in der Welt gewöhnen, die nicht mehr sehr schmeichelhaft war. Früher konnten die Türken vor Selbstbewusstsein kaum noch gehen und nacher nicht mehr vor lauter Gram. Die moderne türkische Jugend war gerade im Begriff, diesen Makel überzukompensieren. Erdogan hatte aus der alten "splendid isolation" der Reste des niedergegangenen osmanischen Reichs sehr erfolgreiche kapitalistische Strukturen aufgebaut und dazu der türkischen Gesellschaft ungeahnte Freiheiten verschafft. Zudem hatte er faktisch eine vollständigere Trennung von Kirche und Staat erwirkt als wir das in Deutschland haben. Bis vor ca. 1-2 Jahren war die Türkei im Begriff, den Sprung nach ganz oben zu schaffen, nach oben in die Haute-Volée der kapitalistischen Nationen. Das ist vorbei. Die Freiheiten sind weg, der Laizismus ist faktisch weg, nur der Kapitalismus ist noch da und auch die NATO-Partnerschaft. Wer weiß, wie lange...
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:06)

Gabs alles auch schon vorher. Die Türkei war vorher genauso undemokratisch. Im Endeffekt hat da eine Militärjunta geherrscht. Erdogan führt dieses Prinzip einfach weiter, nur das er die Macht auf sich übertragen hat.
Nein, das ist wirklich falsch. Die Militärs hatte er im Gegenteil entmachtet. Militärputsche haben in der Türkei eine lange Testosteron-Historie. Die Türken freuen sich seit jeher über starke Führer und da gibt es immer wieder Aspiranten, die Kalif werden wollen anstelle des Kalifen, um es mal mit Isnogud zu sagen. Das musste Erdogan erstmal in den Griff bekommen. Gerade unter Erdogan war und ist die Türkei eben keine Militärdiktatur, sondern ist heute zu einer reinen Führer-Diktatur geworden. Die Macht ist personalisiert und an der Person Erdogan festgemacht. Wenn Erdogan stirbt wird die Türkei für viele Jahre in einem Chaos versinken, das zeichnet sich schon heute ab.
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:06)

Gabs alles auch schon vorher. Die Türkei war vorher genauso undemokratisch. Im Endeffekt hat da eine Militärjunta geherrscht. Erdogan führt dieses Prinzip einfach weiter, nur das er die Macht auf sich übertragen hat.
Man sollte aber nicht unterschlagen, dass es unter der Führung von Erdogan auch eine lange Phase der Stabilität, des wirtschaftlichen Wohlstandes und eine gewisse Trennung von Judikative/Exekutive/Legislative gab. Erdogan hat deshalb immer noch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Ja, sogar in Deutschland verehren die meisten Türken ihren Erdogan. Irre, nicht wahr?
Benutzeravatar
Ammianus
Beiträge: 6080
Registriert: Sa 17. Dez 2011, 22:05

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Ammianus »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:13)

...

Man darf nicht vergessen, dass die Türken vor nicht allzulanger Zeit ein kontinentumspannendes Reich besaßen mit starken militärischen Führern. Als sie an der Seite Deutschlands und mit Deutschland im 1. Weltkrieg untergingen mussten sie sich mühsam an ihre neue Position in der Welt gewöhnen, die nicht mehr sehr schmeichelhaft war. Früher konnten die Türken vor Selbstbewusstsein kaum noch gehen und nacher nicht mehr vor lauter Gram.

...
Der Niedergang des türkischen Imperiums setzte viel früher ein. Spätestens nach dem 2. Debakel vor Wien war es vorbei. Nach und nach drängten europäisch-christliche Mächte die Sultane auf dem Balkan zurück. Das Desaster wäre noch viel größer gewesen, hätten diese Mächte nicht untereinander ihre Rivalitäten ausgekämpft. So verbündete sich z.B. Britannien im Krimkrieg mit der Türkei gegen Russland. Ohne dies wäre Konstantinopel heute vielleicht Hauptstadt eines griechischen Staates. Trotzdem, die Griechen befreiten sich, die Bulgaren verdanken ihre Freiheit den Russen, weswegen sie sich, obwohl verbündet, nicht an Hitlers Überfall auf die Sowjetunion beteiligten.
Napoleon trug seinen Kampf gegen die Briten ganz locker auf nominell von den Sultanen beherrschten Gebiet in Ägypten aus. Ägypten war theoretisch eine osmanische Provinz, die dortigen Statthalter machten aber was sie wollten und vom Topkapi aus konnte man dabei nur zusehen.
Auch im Innern war es verheerend. Der Islam lastete wie Mehltau auf der Gesellschaft und konservierte Denk- und Verhaltensweisen, die Europa abstreifte. Hier begann Wissenschaft und Kultur immer mehr aufzublühen. Hatte im späten Mittelalter bzw. der frühen Neuzeit die Türkei teilweisen einen technischen Vorsprung in der Herstellung und vor allem im Einsatz von Feuerwaffen – dies machte die Eroberung Konstantinopels erst möglich – so war es bald damit vorbei. In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts holte sich der Sultan westliche Berater um sein völlig veraltetes Militärwesen zu modernisieren.
Und auch nach dem 1. Weltkrieg rettete der Westen im Prinzip den Türken den Arsch.
"Ich möchte an einem Ort sein, an dem es keine Politik gibt, keine Waffen, keine Religion."
Libanesin Anfang August 2020
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:13)

Das ist nicht richtig. Erdogan hatte in seinen "Gründerjahren" eine ganz starke Phase und die Türkei aus dem Erbe des großen Ata in Richtung einer modernen Gesellschaft geführt. Das war eine sehr schwierige Aufgabe. Man darf nicht vergessen, dass die Türken vor nicht allzulanger Zeit ein kontinentumspannendes Reich besaßen mit starken militärischen Führern. Als sie an der Seite Deutschlands und mit Deutschland im 1. Weltkrieg untergingen mussten sie sich mühsam an ihre neue Position in der Welt gewöhnen, die nicht mehr sehr schmeichelhaft war. Früher konnten die Türken vor Selbstbewusstsein kaum noch gehen und nacher nicht mehr vor lauter Gram. Die moderne türkische Jugend war gerade im Begriff, diesen Makel überzukompensieren. Erdogan hatte aus der alten "splendid isolation" der Reste des niedergegangenen osmanischen Reichs sehr erfolgreiche kapitalistische Strukturen aufgebaut und dazu der türkischen Gesellschaft ungeahnte Freiheiten verschafft. Zudem hatte er faktisch eine vollständigere Trennung von Kirche und Staat erwirkt als wir das in Deutschland haben. Bis vor ca. 1-2 Jahren war die Türkei im Begriff, den Sprung nach ganz oben zu schaffen, nach oben in die Haute-Volée der kapitalistischen Nationen. Das ist vorbei. Die Freiheiten sind weg, der Laizismus ist faktisch weg, nur der Kapitalismus ist noch da und auch die NATO-Partnerschaft. Wer weiß, wie lange...
Nichtsdestotrotz war die Türkei auch vorher keine Demokratie. Zu Zeiten des Keamlismus war sie de facto eine Militärjunta. Zu sagen, dass die Türkei heute keine Demokratie ist (was sie auch nicht ist), früher aber eine war, ist schlichtweg falsch. Es hat sich einfach nicht viel verändert, nur das sich die Machtverhältnisse unter den Eliten verschoben haben. Daher sollte man bei solcher Kritik an der Türkei immer historisches Maß halten, auch wenn man Erdogan noch so wenig mag. Die kemalistischen Eliten waren kein Stück weniger korrupt oder autoritär, nur waren sie obendrein leider noch unfähig. Daher rührt Erdogans Erfolg.
Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:18)

Nein, das ist wirklich falsch. Die Militärs hatte er im Gegenteil entmachtet. Militärputsche haben in der Türkei eine lange Testosteron-Historie. Die Türken freuen sich seit jeher über starke Führer und da gibt es immer wieder Aspiranten, die Kalif werden wollen anstelle des Kalifen, um es mal mit Isnogud zu sagen. Das musste Erdogan erstmal in den Griff bekommen. Gerade unter Erdogan war und ist die Türkei eben keine Militärdiktatur, sondern ist heute zu einer reinen Führer-Diktatur geworden. Die Macht ist personalisiert und an der Person Erdogan festgemacht. Wenn Erdogan stirbt wird die Türkei für viele Jahre in einem Chaos versinken, das zeichnet sich schon heute ab.
Ich rede von der Zeit 1923 bis heute. Die frühe Erdogan-Zeit war nur eine Übergangsperiode zur neuen islamischen Türkei, die genauso straff und autoritär sein soll wie die vom Militär regierte, nur eben durch islamische Eliten.
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:23)

Man sollte aber nicht unterschlagen, dass es unter der Führung von Erdogan auch eine lange Phase der Stabilität, des wirtschaftlichen Wohlstandes und eine gewisse Trennung von Judikative/Exekutive/Legislative gab. Erdogan hat deshalb immer noch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Ja, sogar in Deutschland verehren die meisten Türken ihren Erdogan. Irre, nicht wahr?
Kommt drauf an. Man muss es halt auch mal aus türkischer Perspektive sehen. Erdogan hat die Türkei ohne jeden Zweifel vorangebracht, auf so ziemlich allen Ebenen. Sie ist besser organisiert, die Wirtschaft boomt, mit vielerlei Korruption wurde aufgeräumt (außer mit der eigenen), es wurden Strassen gebaut, Bäume gepflanzt (1 Millionen, in Istanbul), Stromleitungen verlegt, Stromausfälle abgestellt, Wasserleitungen verlegt, Internetleitungen verlegt, den Verkehr gezähmt, Umweltschmutzungen und Smog stark reduziert.. Die Türkei hatte Ende der 90er Jahre eine Preissteigerungsrate von 70%, galoppierende Inflation, hunderttausende Insolvenzverfahren alleine in Istanbul.
Dieser Trend hat sich umgekehrt, es sind viele Jobs entstanden, die Menschen haben zum ersten mal im Leben eine Krankenversicherung etc.
Als Erdogan Bürgermeister von Istanbul wurde, bekam er etwa 25% der Stimmen, viele waren skeptisch, gerade im westlich orientierten Istanbul. Später fuhr er locker 40-50% ein und sogar viele Kritiker und ehemalige Kemalisten wählten ihn und seine Partei. Wegen der Ergebnisse. Ich kenne Atheisten die ihn wählen.
Das hat schon seine Gründe, aus türkischer Sicht. Aus unserer Sicht kann man das nicht verstehen, wenn man sich nicht die Details anschaut.
Viele Türken hatten sehr starke nationale Minderwertigkeitskomplexe und da kommt jetzt so einer daher. Das ist für die natürlich wie Ostern und Weihnachten zusammen.
Zuletzt geändert von Wasteland am Fr 28. Okt 2016, 19:21, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:08)

Nichtsdestotrotz war die Türkei auch vorher keine Demokratie. Zu Zeiten des Keamlismus war sie de facto eine Militärjunta. Zu sagen, dass die Türkei heute keine Demokratie ist (was sie auch nicht ist), früher aber eine war, ist schlichtweg falsch. Es hat sich einfach nicht viel verändert, nur das sich die Machtverhältnisse unter den Eliten verschoben haben. Daher sollte man bei solcher Kritik an der Türkei immer historisches Maß halten, auch wenn man Erdogan noch so wenig mag. Die kemalistischen Eliten waren kein Stück weniger korrupt oder autoritär, nur waren sie obendrein leider noch unfähig. Daher rührt Erdogans Erfolg.



Ich rede von der Zeit 1923 bis heute. Die frühe Erdogan-Zeit war nur eine Übergangsperiode zur neuen islamischen Türkei, die genauso straff und autoritär sein soll wie die vom Militär regierte, nur eben durch islamische Eliten.
Möglich. Du erwartest also so etwas ähnliches wie einen Taliban-Staat oder einen anderen "Gottestaat"? Ein solcher Staat würde keinen Bestand haben. Die wirtschaftliche Verzahnung der Türkei mit dem Westen (und nicht nur mit dem Westen) ist äußerst komplex, die wirtschaftlichen Interessen ausländischer Nationen in der Türkei sehr hoch. Die militärische Bedeutung der Türkei für die NATO, besonders für die Amerikaner ist ebenfalls sehr hoch. Man wird den Imamen Bomben aufs Haupt werfen, so wie man das immer tut als ultima ratio, wenn jemand aufsässig wird und diese Bomben werden dann wie immer alle Menschen in der Türkei treffen und diesen aufstrebenden Staat zurück ins Mittelalter treiben. Ich hoffe, es wird nicht dazu kommen, das hoffe ich wirklich sehr.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:18)

Kommt drauf an. Man muss es halt auch mal aus türkischer Perspektive sehen. Erdogan hat die Türkei ohne jeden Zweifel vorangebracht, auf so ziemlich allen Ebenen. Sie ist besser organisiert, die Wirtschaft boomt, mit vielerlei Korruption wurde aufgeräumt (außer mit der eigenen), es wurden Strassen gebaut, Bäume gepflanzt (1 Millionen, in Istanbul), Stromleitungen verlegt, Stromausfälle abgestellt, Wasserleitungen verlegt, Internetleitungen verlegt, den Verkehr gezähmt, Umweltschmutzungen und Smog stark reduziert.. Die Türkei hatte Ende der 90er Jahre eine Preissteigerungsrate von 70%, galoppierende Inflation, hunderttausende Insolvenzverfahren alleine in Istanbul.
Dieser Trend hat sich umgekehrt, es sind viele Jobs entstanden, die Menschen haben zum ersten mal im Leben eine Krankenversicherung etc.
Als Erdogan Bürgermeister von Istanbul wurde, bekam er etwa 25% der Stimmen, viele waren skeptisch, gerade im westlich orientierten Istanbul. Später fuhr er locker 40-50% ein und sogar viele Kritiker und ehemalige Kemalisten wählten ihn und seine Partei. Wegen der Ergebnisse. Ich kenne Atheisten die ihn wählen.
Das hat schon seine Gründe, aus türkischer Sicht. Aus unserer Sicht kann man das nicht verstehen, wenn man sich nicht die Details anschaut.
Ja, eben, das meine ich auch.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:08)

Nichtsdestotrotz war die Türkei auch vorher keine Demokratie. Zu Zeiten des Keamlismus war sie de facto eine Militärjunta. Zu sagen, dass die Türkei heute keine Demokratie ist (was sie auch nicht ist), früher aber eine war,...
Mit "früher eine war" meine ich sehr kurzfristig die letzten Jahre bis 2015. Nicht 1923 etc. Vielleicht haben wir mit demBegriff "früher" andere Vorstellungen verbunden.
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:18)

Kommt drauf an. Man muss es halt auch mal aus türkischer Perspektive sehen. Erdogan hat die Türkei ohne jeden Zweifel vorangebracht, auf so ziemlich allen Ebenen. Sie ist besser organisiert, die Wirtschaft boomt, mit vielerlei Korruption wurde aufgeräumt (außer mit der eigenen), es wurden Strassen gebaut, Bäume gepflanzt (1 Millionen, in Istanbul), Stromleitungen verlegt, Stromausfälle abgestellt, Wasserleitungen verlegt, Internetleitungen verlegt, den Verkehr gezähmt, Umweltschmutzungen und Smog stark reduziert.. Die Türkei hatte Ende der 90er Jahre eine Preissteigerungsrate von 70%, galoppierende Inflation, hunderttausende Insolvenzverfahren alleine in Istanbul.
Dieser Trend hat sich umgekehrt, es sind viele Jobs entstanden, die Menschen haben zum ersten mal im Leben eine Krankenversicherung etc.
Als Erdogan Bürgermeister von Istanbul wurde, bekam er etwa 25% der Stimmen, viele waren skeptisch, gerade im westlich orientierten Istanbul. Später fuhr er locker 40-50% ein und sogar viele Kritiker und ehemalige Kemalisten wählten ihn und seine Partei. Wegen der Ergebnisse. Ich kenne Atheisten die ihn wählen.
Das hat schon seine Gründe, aus türkischer Sicht. Aus unserer Sicht kann man das nicht verstehen, wenn man sich nicht die Details anschaut.
Viele Türken hatten sehr starke nationale Minderwertigkeitskomplexe und da kommt jetzt so einer daher. Das ist für die natürlich wie Ostern und Weihnachten zusammen.
Warum hat Erdogan diese erfolgreiche Linie aufgegeben? Ist er verrückt geworden und die Mehrheit der Türken erkennt das nicht?
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:20)

Möglich. Du erwartest also so etwas ähnliches wie einen Taliban-Staat oder einen anderen "Gottestaat"? Ein solcher Staat würde keinen Bestand haben. Die wirtschaftliche Verzahnung der Türkei mit dem Westen (und nicht nur mit dem Westen) ist äußerst komplex, die wirtschaftlichen Interessen ausländischer Nationen in der Türkei sehr hoch. Die militärische Bedeutung der Türkei für die NATO, besonders für die Amerikaner ist ebenfalls sehr hoch. Man wird den Imamen Bomben aufs Haupt werfen, so wie man das immer tut als ultima ratio, wenn jemand aufsässig wird und diese Bomben werden dann wie immer alle Menschen in der Türkei treffen und diesen aufstrebenden Staat zurück ins Mittelalter treiben. Ich hoffe, es wird nicht dazu kommen, das hoffe ich wirklich sehr.
Nein, das erwarte ich nicht, entweder wir reden aneinander vorbei oder du interpretierst da etwas zuviel rein. Einen türkischen Gottesstaat wird es aus vielen verschiedenen Gründen nie geben.
Ist in der Türkei nicht machbar, das gäbe einen vernichtenden Bürgerkrieg.
Ich hängte mich nur daran auf, das immer gefragt wird ob die Türkei "noch" eine Türkei sei. Atatürk war auch kein Demokrat und alle seine Nachfolger auch nicht. Das meine ich. Es soll ja impliziert werden das Erdogan in der Türkei die Demokratie abgeschafft habe. Das ist aber Quatsch er macht so weiter wie vorher, nur unter anderen Vorzeichen. Auch das Militär hat massenhaft Journalisten eingesperrt.
Es ist schon eine leicht verzerrte Sichtweise zu sagen, jetzt wäre alles anders und viel schlimmer. Es ist eben die subjektive, europäisch-deutsche Sichtweise auf einen zutiefst verhassten islamisch-orientierten Herrscher, bei völliger Ausblendung der Sichtweise der anderen Seite.
Die davor waren aber eben keinesfalls liberaler, demokratischer o.ä.
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:24)

Mit "früher eine war" meine ich sehr kurzfristig die letzten Jahre bis 2015. Nicht 1923 etc. Vielleicht haben wir mit demBegriff "früher" andere Vorstellungen verbunden.
Ja, das denke ich auch...Aneinander vorbei geredet. A weng. Um es mit deinem Slang zu sagen. :p
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:28)

Nein, das erwarte ich nicht, entweder wir reden aneinander vorbei oder du interpretierst da etwas zuviel rein. Einen türkischen Gottesstaat wird es aus vielen verschiedenen Gründen nie geben.
Ist in der Türkei nicht machbar, das gäbe einen vernichtenden Bürgerkrieg.
Ich hängte mich nur daran auf, das immer gefrgt wird ob die Türkei "noch" eine Türkei sei. Atatürk war auch kein Demokrat und alle seine Nachfolger auch nicht. Das meine ich. Es soll ja impliziert werden das Erdogan in der Türkei die Demokratie abgeschafft habe. Das ist aber Quatsch er macht so weiter wie vorher, nur unter anderen Vorzeichen. Auch das Militär hat massenhaft Journalisten eingesperrt.
Es ist schon eine leicht verzerrte Sichtweise zu sagen, jetzt wäre alles anders und viel schlimmer. Es ist eben die europäisch-deutsche Sichtweise auf einen zutiefst verhassten islamisch-orientierten Herrscher.
Die davor waren aber eben keinesfalls liberaler, demokratischer o.ä.
Ah, ok, ja, das sind wir dann schon auf einer Linie. Ich meine, Erdogan selbst hat die Türkei demokratisiert, was natürlich selbst auch wieder ein sehr relativer Begriff ist. Immerhin gab es demokratische Wahlen und eine halbwegs freie Presse und eben auch eine Opposition. Auch darf man nicht vergessen, dass im Hintergrund ständig irgendwelche Militärs rein gewohnheitsmäßig mit Putschgedanken gespielt haben. Scheinabr wurde ihm das jetzt alles zhu blöd, vielleicht auch zu gefährlich, also hat er einen weiten Schritt nach hinten gemacht. Ein großer Fehler in meinen Augen.
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:28)

Warum hat Erdogan diese erfolgreiche Linie aufgegeben? Ist er verrückt geworden und die Mehrheit der Türken erkennt das nicht?
Naja, er ist am Ende eben doch ein nationalreligiöser Hansdampf, der der Türkei Weltgeltung verschaffen will und neo-osmanische Träume träumt.
Dabei hat er sich allerdings ein wenig verhoben.
Ich denke innenpolitisch ist er erfolgreich wie eh und je. Viele Türken stehen hinter ihm, wie seine persönliche Leibgarde und haben jegliches Maß verloren in meinen Augen.
Und dann gibts da die anderen, die sogar sagen das Erdogan lügt wenn er sagen würde das die Erde rund ist.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:30)

Ja, das denke ich auch...Aneinander vorbei geredet. A weng. Um es mit deinem Slang zu sagen. :p
Ja mei, jetzt is ja ausgredt, koana valetzt, ois easy, um es auch mal mit meinem Slang zu sagen.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:34)

Naja, er ist am Ende eben doch ein nationalreligiöser Hansdampf, der der Türkei Weltgeltung verschaffen will und neo-osmanische Träume träumt.
Dabei hat er sich allerdings ein wenig verhoben.
Ich denke innenpolitisch ist er erfolgreich wie eh und je. Viele Türken stehen hinter ihm, wie seine persönliche Leibgarde und haben jegliches Maß verloren in meinen Augen.
Und dann gibts da die anderen, die sogar sagen das Erdogan lügt wenn er sagen würde das die Erde rund ist.
Jep. Der Inbegriff des, äh, osmanischen Teufels, wenn man gewissen deutschen Kreisen Glauben schenkt.
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:33)

Ah, ok, ja, das sind wir dann schon auf einer Linie. Ich meine, Erdogan selbst hat die Türkei demokratisiert, was natürlich selbst auch wieder ein sehr relativer Begriff ist. Immerhin gab es demokratische Wahlen und eine halbwegs freie Presse und eben auch eine Opposition. Auch darf man nicht vergessen, dass im Hintergrund ständig irgendwelche Militärs rein gewohnheitsmäßig mit Putschgedanken gespielt haben. Scheinabr wurde ihm das jetzt alles zhu blöd, vielleicht auch zu gefährlich, also hat er einen weiten Schritt nach hinten gemacht. Ein großer Fehler in meinen Augen.
Das das Militär entmachtet wurde war ein völlig richtiger und unabdingbarer Schritt für die Türkei.
In den 90er sagte einer der ranghöchsten Militärs: "Das Militär ist dazu da um den Staat vor dem Volk zu schützen."
War die Türkei damals eine Demokratie? Ganz sicher nicht, diese Pappnasen mussten weg.
Leider gibt es hier bei uns zu viele Menschen die den Türken jedes Recht absprechen sich selber zu bestimmen, wenn es ihren eigenen Vorstellungen wie jemand zu leben hat zuwiderläuft.
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:36)

Jep. Der Inbegriff des, äh, osmanischen Teufels, wenn man gewissen deutschen Kreisen Glauben schenkt.
Ja, die. Das nervt ein wenig. Aber auch in der Türkei gibt es solche. Warum muss man immer kompromisslos in Lagern denken und kann nicht die Dinge einzeln betrachten?
Raff ick nich. (Um es in meinem Slang zu sagen)
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:39)

Ja, die. Das nervt ein wenig. Aber auch in der Türkei gibt es solche. Warum muss man immer kompromisslos in Lagern denken und kann nicht die Dinge einzeln betrachten?
Raff ick nich. (Um es in meinem Slang zu sagen)
ick jloobs manchmal ooch nich, um es mal in deinem Slang zu probieren. Schade eigentlich, aber man ist ja selbst auch nicht frei von Schubladen. Ich hab da z.B. so eine große braune, mit allerlei Runen und son Zeuchs. Das passt viel rein...
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:37)

Das das Militär entmachtet wurde war ein völlig richtiger und unabdingbarer Schritt für die Türkei.
In den 90er sagte einer der ranghöchsten Militärs: "Das Militär ist dazu da um den Staat vor dem Volk zu schützen."
War die Türkei damals eine Demokratie? Ganz sicher nicht, diese Pappnasen mussten weg.
Leider gibt es hier bei uns zu viele Menschen die den Türken jedes Recht absprechen sich selber zu bestimmen, wenn es ihren eigenen Vorstellungen wie jemand zu leben hat zuwiderläuft.
Allerdings. Es reicht ja nicht, den Türken in Deutschland vorzuschreiben wie man zu leben hat, nein, man muss ja auch noch den Türken vorschreiben wie sie in der Türkei zu leben haben. Das ist aber eine typische Foge krassen nationalen Denkens. Am deutschen Wesen sollte die Welt schon einmal genesen. Hat nicht geklappt. Also nochmal von vorne. Same player shoots again - da sei der Himmel davor.
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:49)

Allerdings. Es reicht ja nicht, den Türken in Deutschland vorzuschreiben wie man zu leben hat, nein, man muss ja auch noch den Türken vorschreiben wie sie in der Türkei zu leben haben. Das ist aber eine typische Foge krassen nationalen Denkens. Am deutschen Wesen sollte die Welt schon einmal genesen. Hat nicht geklappt. Also nochmal von vorne. Same player shoots again - da sei der Himmel davor.
Ich kann auch verstehen warum Russen Putin wählen. Wenn man sich anschaut was so die Optionen sind und was da vorher regiert hat. Ist ähnlich wie in der Türkei.
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 19:34)

Naja, er ist am Ende eben doch ein nationalreligiöser Hansdampf, der der Türkei Weltgeltung verschaffen will und neo-osmanische Träume träumt.
Dabei hat er sich allerdings ein wenig verhoben.
Ich denke innenpolitisch ist er erfolgreich wie eh und je. Viele Türken stehen hinter ihm, wie seine persönliche Leibgarde und haben jegliches Maß verloren in meinen Augen.
Und dann gibts da die anderen, die sogar sagen das Erdogan lügt wenn er sagen würde das die Erde rund ist.
Es ist gar nicht mehr feststellbar, ob die Mehrheit der Türken in der Türkei noch hinter Erdogan steht, denn Erdogan hat die Türkei de Facto wieder zu einer Diktatur gemacht. Die Türken in Deutschland müssen die wirtschaftlichen Folgen der Erdogan-Fehler nicht ertragen und sind mit Sicherheit die treuesten Erdogan-Verehrer.
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:05)

Es ist gar nicht mehr feststellbar, ob die Mehrheit der Türken in der Türkei noch hinter Erdogan steht, denn Erdogan hat die Türkei de Facto wieder zu einer Diktatur gemacht. Die Türken in Deutschland müssen die wirtschaftlichen Folgen der Erdogan-Fehler nicht ertragen und sind mit Sicherheit die treuesten Erdogan-Verehrer.
Es sind sicher 40-50% der Türken die hinter Erdogan stehen, 20-25% davon fanatisch wie eine Hooligan-Fankurve. (ist meine Schätzung, alles subjektiv) Der Rest wählt ihn wegen seiner Ergebnisse und weil die Opposition unbrauchbar ist.
Bei den Deutsch-Türken ist das noch ein bisschen anders. Von denen haben ihn glaube ich sogar noch mehr gewählt, irgendwas um die 60%.
Das ist einmal der Diaspora-Effekt, das Menschen die auswandern oft konservativer sind als die in der Heimat. Nostalgie und so.
Hinzu kommt, das viele Türken sich von den Deutschen nicht akzeptiert fühlen und das Gefühl haben man schaut auf sie herunter und macht sie verächtlich.
Da kommt so einer wie Erdogan natürlich gerade recht. Es gibt 1a integrierte Türken, die besser deutsch als türkisch sprechen, die Erdogan wählen, weil sie das Gefühl haben das die Deutschen sie hassen und sie nicht zu Deutschland gehören dürfen. Insgeheim bewundern viele Türken Deutschland. Es ist eine verschmähte Liebe. Da reagiert jeder gekränkt.
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:27)

Es sind sicher 40-50% Der Türken die hinter Erdogan stehen, 20-25% davon fanatisch wie eine Hooligan-Fankurve. (ist meine Schätzung, alles subjektiv) Der Rest wählt ihn wegen seiner Ergebnisse und weil die Opposition unbrauchbar ist.
Bei den Deutsch-Türken ist das noch ein bisschen anders. Von denen haben ihn glaube ich sogar noch mehr gewählt, irgendwas um die 60%.
Das ist einmal der Diaspora-Effekt, das Menschen die auswandern oft konservativer sind als die in der Heimat. Nostalgie und so.
Hinzu kommt, das viele Türken sich von den Deutschen nicht akzeptiert fühlen und das Gefühl haben man schaut auf sie herunter und macht sie verächtlich.
Da kommt so einer wie Erdogan natürlich gerade recht. Es gibt 1a integrierte Türken, die besser deutsch als türkisch sprechen, die Erdogan wählen, weil sie das Gefühl haben das die Deutschen sie hassen und sie nicht zu Deutschland gehören dürfen. Insgeheim bewundern viele Türken Deutschland. Es ist eine verschmähte Liebe.
Bist Du Deutsch-Türke? Das musst Du sein, denn sonst hättest Du diesen Einblick nicht. Oder Du hast sehr viele Türken in Deinem Freundeskreis. Egal, die Deutsch-Türken sind bezüglich Diaspora-Denke nichts besonderes. Ist halt sehr komfortabel im demokratischen, liberalen, reichen Deutschland nationalistische Träume auszuleben. Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:04)

Ich kann auch verstehen warum Russen Putin wählen. Wenn man sich anschaut was so die Optionen sind und was da vorher regiert hat. Ist ähnlich wie in der Türkei.
Auch das ist ein seltenes, wahres Wort. Wir reden uns hier leicht (noch, das kann sich schnell ändern).
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:50)

Bist Du Deutsch-Türke? Das musst Du sein, denn sonst hättest Du diesen Einblick nicht. Oder Du hast sehr viele Türken in Deinem Freundeskreis. Egal, die Deutsch-Türken sind bezüglich Diaspora-Denke nichts besonderes. Ist halt sehr komfortabel im demokratischen, liberalen, reichen Deutschland nationalistische Träume auszuleben. Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf.
Wie dumm ist das wieder...ts ... Und wenn? Und wenn er Deutsch-Türke wäre? Bist du Deutsch-Türke? Wegen Einblick, und so? Ich habe einige Türken in meinem direkten sozialen Umfeld. Freunde, Bekannte, Kollegen, Geschäftspartner. Und weiter?
Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf
Was ist das nur wieder für ein Satz? Wenn ein Türke stolz darauf ist, ein Türke zu sein ist das genau weswegen unangebracht?
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 21:44)

Wie dumm ist das wieder...ts ... Und wenn? Und wenn er Deutsch-Türke wäre? Bist du Deutsch-Türke? Wegen Einblick, und so? Ich habe einige Türken in meinem direkten sozialen Umfeld. Freunde, Bekannte, Kollegen, Geschäftspartner. Und weiter?


Was ist das nur wieder für ein Satz? Wenn ein Türke stolz darauf ist, ein Türke zu sein ist das genau weswegen unangebracht?
Dumm ist lediglich Deine plumpe Unterstellung, ich würde es für unangebracht halten, wenn jemand stolz darauf ist, Türke zu sein.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 21:51)

Dumm ist lediglich Deine plumpe Unterstellung, ich würde es für unangebracht halten, wenn jemand stolz darauf ist, Türke zu sein.
Ach?

Dann ist das also eine versehentliche sprachliche Entgleisung:
Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf
mhm, gut. Das kommt vor.
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 22:03)

Ach?

Dann ist das also eine versehentliche sprachliche Entgleisung:


mhm, gut. Das kommt vor.
Nein, keine sprachliche Entgleisung sondern ehrliche Schilderung persönlicher Erfahrung.
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 22:08)

Nein, keine sprachliche Entgleisung sondern ehrliche Schilderung persönlicher Erfahrung.
Wie dies? Also bist du Türke oder Deutsch-Türke oder Kurde oder wie soll ich das verstehen?
Wasteland
Beiträge: 15939
Registriert: So 1. Jun 2008, 23:32
user title: Nil admirari

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Wasteland »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 20:50)

Bist Du Deutsch-Türke? Das musst Du sein, denn sonst hättest Du diesen Einblick nicht. Oder Du hast sehr viele Türken in Deinem Freundeskreis. Egal, die Deutsch-Türken sind bezüglich Diaspora-Denke nichts besonderes. Ist halt sehr komfortabel im demokratischen, liberalen, reichen Deutschland nationalistische Träume auszuleben. Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf.
Meine Frau ist Türkin. Und ich habe Türken in meinem Umfeld seit ich denken kann. Ich habe den Vorteil das sowohl Deutsche, als auch Türken zu mir vertraulich reden. Ausser die extremen Ränder, die hassen mich entweder für meine multikulturellen Verbindungen oder dafür das ich Deutscher bin.
Das Problem der der verschmähten Liebe zwischen Deutschen und Türken ist ein beiderseitiges. Wenn man wollte könnte man das ändern. Ist einfach die Frage was man sich entscheidet über den anderen zu denken.
Atheist

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Atheist »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 16:50)

Mit sehr wenigen Worten sehr viel gesagt, das zeichnet deine Beiträge ja schon immer aus. Respekt. Tatsächlich muss ich, der ich zu den berühmt-berüchtigten Verteidigern der Türkei gehöre, zugeben, dass aktuell von einer türkischen Demokratie nicht mehr gesprochen werden kann. Die komplette Opposition im Gefängnis bedeutet Diktatur, ohne wenn und aber.
Dennoch interessant ist natürlich der ironische Hinweis auf die Heuchelei der Turkophoben, die laut schreiend mit dem Finger auf türkische Verhältnisse zeigen, beim Blick auf amerikanische Verhältnisse jedoch den Stetson über die Augen rutschen lassen.
Ähnlich berühmt-berüchtigt bin ich in dieser Hinsicht auch, deshalb wollte ich die Bezugsfläche für, hehe, Erdogankritiker so klein wie möglich halten. :D Die Rechtsstaatlichkeit ist in der Türkei jedenfalls nicht mehr gegeben, denn sie sitzt ja in überbelegten Zellen hinter schwedischen Gardinen. Was mich ja an der Sache ärgert, sind die zahlreichen Erdogan-Befürworter, die hinter dem Unrecht stehen, das er veranstaltet. Ähnliches Klientel findet sich leider selbst in stabilen und wohlhabenden Gesellschaften mit einer langen Demokratietradition. Die darf man nicht aus dem Blick lassen, sonst wird man auch vor seiner eigenen Haustür neue Gefängnisse errichten müssen, ohne viel dagegen ausrichten zu können...
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 22:19)

Wie dies? Also bist du Türke oder Deutsch-Türke oder Kurde oder wie soll ich das verstehen?
So ähnlich. Damals Gastarbeiterkind aus EX-You. Entwickelte einen Stolz, Jugoslawe zu sein. Kann deshalb gut nachvollziehen, weshalb Türken in Deutschland stolz sind, Türken zu sein.
Benutzeravatar
Kardux
Beiträge: 3042
Registriert: Fr 29. Mär 2013, 16:48
user title: کوردستان زیندووە

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Kardux »

Wasteland hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:06)

Gabs alles auch schon vorher. Die Türkei war vorher genauso undemokratisch. Im Endeffekt hat da eine Militärjunta geherrscht. Erdogan führt dieses Prinzip einfach weiter, nur das er die Macht auf sich übertragen hat.
Damit ist eigentlich alles gesagt, was man wirklich wissen muss. Kurz und knapp.

Erdogans "Anfangsphase" war eben "der Zug auf den man aufgesprungen ist".
Make Kurdistan Free Again...
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 22:34)

So ähnlich. Damals Gastarbeiterkind aus EX-You. Entwickelte einen Stolz, Jugoslawe zu sein. Kann deshalb gut nachvollziehen, weshalb Türken in Deutschland stolz sind, Türken zu sein.
Dann verstehe ich aber die herablassende Respektlosigkeit umso weniger.
Sozialdemokrat

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Sozialdemokrat »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 22:53)

Dann verstehe ich aber die herablassende Respektlosigkeit umso weniger.
Und ich bin völlig baff, dass meine Äusserungen herablassend und respektlos rüberkommen.
Benutzeravatar
Zunder
Beiträge: 7443
Registriert: Mi 4. Jun 2008, 15:00

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Zunder »

Zur Lektüre empfohlen:

"Derzeit hilft es mir nicht, Geschichtsbücher zu lesen. Im Gegenteil: Es ist grauenhaft. Der türkische Präsident hat kürzlich den Mund noch voller genommen und die aktuellen Grenzen der Türkei sowie die Gültigkeit des Vertrags von Lausanne aus dem Jahr 1924 in Frage gestellt. Seitdem zeigen die türkischen Medien neue Landkarten, die Mossul und den Nordosten Griechenlands als Teil des türkischen Großreichs darstellen."
http://www.sueddeutsche.de/kultur/tuerk ... -1.3225029

Ich frage mich, ob Erdogan die Parallelen nicht sieht oder bewußt sucht.
Kann ihm niemand schonend beibringen, daß er mit seinem "Osmanismus" scheitern muß?

(Von Yavuz Baydar gibt es ein "Türkisches Tagebuch" in der Süddeutschen, das online zugänglich ist.)
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 23:05)

Und ich bin völlig baff, dass meine Äusserungen herablassend und respektlos rüberkommen.
Dann lies doch mal bitte in aller Ruhe deinen Satz durch, den ich beanstandet habe:
Bist Du Deutsch-Türke? Das musst Du sein, denn sonst hättest Du diesen Einblick nicht. Oder Du hast sehr viele Türken in Deinem Freundeskreis. Egal, die Deutsch-Türken sind bezüglich Diaspora-Denke nichts besonderes. Ist halt sehr komfortabel im demokratischen, liberalen, reichen Deutschland nationalistische Träume auszuleben. Und wenn man als Deutscher nicht akzeptiert wird, dann ist man eben was anderes und stolz darauf.
Das IST herablassend und respektlos. Was hast du denn eigentlich gemeint, was wolltest du ursprünglich ausdrücken und ist irgendwie nur unglücklich formuliert gewesen? Hm...aus deiner speziellen Sicht...ich bemühe mich gerade, das richtig zu sortieren...es ist halt so, dass die Deutschtürken in den meisten Fällen nicht als Deutsche akzeptiert werden wollen, warum sollten sie auch? Gerade in Deutschland, wo nun wieder der ganze Nationalismus hochkocht, der ganze übertriebene Nationalstolz ("Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein"...ja wie? Auf was genau?), sollte man doch für nationale Gefühle anderer Nationen Verständnis aufbringen können und diese nicht sozusagen als Ersatzbefriedigung betrachten.
Vardarovic

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Vardarovic »

Nathan hat geschrieben:(28 Oct 2016, 18:18)

Nein, das ist wirklich falsch. Die Militärs hatte er im Gegenteil entmachtet. Militärputsche haben in der Türkei eine lange Testosteron-Historie. Die Türken freuen sich seit jeher über starke Führer und da gibt es immer wieder Aspiranten, die Kalif werden wollen anstelle des Kalifen, um es mal mit Isnogud zu sagen. Das musste Erdogan erstmal in den Griff bekommen. Gerade unter Erdogan war und ist die Türkei eben keine Militärdiktatur, sondern ist heute zu einer reinen Führer-Diktatur geworden. Die Macht ist personalisiert und an der Person Erdogan festgemacht. Wenn Erdogan stirbt wird die Türkei für viele Jahre in einem Chaos versinken, das zeichnet sich schon heute ab.
"Wenn Erdogan stirbt wird die Türkei für viele Jahre in einem Chaos versinken, das zeichnet sich schon heute ab"

Oder auseinanderbrechen?
Die Türkei ist nicht homoethnisch, daher im Rahmen des wahrscheinlichen?
Benutzeravatar
Nathan
Beiträge: 4788
Registriert: Do 18. Jun 2015, 11:54
user title: Geh weida!
Wohnort: München

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Nathan »

Zunder hat geschrieben:(28 Oct 2016, 23:09)

Zur Lektüre empfohlen:

"Derzeit hilft es mir nicht, Geschichtsbücher zu lesen. Im Gegenteil: Es ist grauenhaft. Der türkische Präsident hat kürzlich den Mund noch voller genommen und die aktuellen Grenzen der Türkei sowie die Gültigkeit des Vertrags von Lausanne aus dem Jahr 1924 in Frage gestellt. Seitdem zeigen die türkischen Medien neue Landkarten, die Mossul und den Nordosten Griechenlands als Teil des türkischen Großreichs darstellen."
http://www.sueddeutsche.de/kultur/tuerk ... -1.3225029

Ich frage mich, ob Erdogan die Parallelen nicht sieht oder bewußt sucht.
Kann ihm niemand schonend beibringen, daß er mit seinem "Osmanismus" scheitern muß?

(Von Yavuz Baydar gibt es ein "Türkisches Tagebuch" in der Süddeutschen, das online zugänglich ist.)
Menschen die sich für unsterblich halten neigen nicht zu der Einsicht, irdischer Mängelbehaftung zu unterliegen.
Vardarovic

Re: Ist die Türkei noch eine Demokratie?

Beitrag von Vardarovic »

Sozialdemokrat hat geschrieben:(28 Oct 2016, 22:34)

So ähnlich. Damals Gastarbeiterkind aus EX-You. Entwickelte einen Stolz, Jugoslawe zu sein. Kann deshalb gut nachvollziehen, weshalb Türken in Deutschland stolz sind, Türken zu sein.
Um Deinen Inhalt mit Blick auf einen etwaigen Stolz des Türken (welchen? des ethnischen Türken, des Kurden, des Tscherkessen, des Lazen, des ...) zu verstehen, bitte ich um eine verständliche Darlegung, auf was man Deiner Ansicht nach als Jugoslawe stolz war.

Danke.
Antworten