palulu hat geschrieben:(14 Feb 2016, 16:19)
Mit Verlaub, aber das ist eine extrem naive Frage, die mich wiederum nachfragen lässt, ob du überhaupt jemals auch nur einen einzigen internationalen Konflikt in den letzten 50 Jahren in seinen rudimentären Ansätzen wirklich verstanden hast.
Natürlich wird die Türkei im Falle eines solchen Krieges nicht die NATO offiziell um Beistand fragen. Warum sollte sie auch? Und selbstverständlich wird der Westen in diesem Falle die türkischen Streitkräfte mit allen erdenklichen Mitteln, von der Partizipation an Spionageerkenntnissen über taktische Beratungen bis hin zur Lieferung von Waffensystemen und Munition, unterstützen. Das wird bloß nicht unter dem Label "NATO" laufen, sondern verdeckt in separaten, bilateralen Übereinkünften, die zusammengenommen eben doch einer Bündnisunterstützung und -treue faktisch gleichkämen.
Vergiss eines nicht: die Partnerschaft mit der Türkei ist dem Westen aus vielerlei Gründen wichtiger als die Ukraine, der Zypern- und Ägäiskonflikt sowie die Gründung eines KurdInnenstaates u.v.m. zusammengenommen.
Kein Staat kann im eurasischen Raum seine Macht gegen den Willen der TürkInnen langfristig manifestieren. Sie ist die Königsmacherin in diesem Spiel und das ist jedem klar, der sich ein wenig mit den geopolitischen und ökonomischen Konstruktionen und Bündnissen dieser Großregion beschäftigt.
Weißt Du, woran man das sehr leicht noch erkennen kann?
Weil China trotz aller Differenzen mit der Türkei nicht eine Sekunde zögern würde, ihr zur Seite zu springen, wenn Ankara sich auf seine Bedingungen einließe.
(Chinesische Mittelstreckenraketen in Ostthrakien?)
Weil Russland Assad in dem Augenblick eigenhändig durch den Fleischwolf drehen würde, wenn die Türkei dem Westen den Rücken zukehrt.
(Türkische Mitgliedschaft in der Eurasischen Union und der SOZ?)
Weil das Assad-Regime in jenem Moment seine Feindschaft zur Türkei "vergäße", indem der Iran und die Türkei sich einigten.
(Den Nahen Osten dominierendes, iranisch-türkisches Anti-Israel-Bündnis?)
etc. pp.
Ja, die Türkei ist in einer misslichen Situation, aber im Unterschied zu vielen Staaten hat sie
immer eine Exit-Option für den Worst-Case-Fall. Das wissen alle Akteure - und das weiß auch die Türkei. Deshalb wird der Westen inoffiziell nicht auch nur eine Sekunde zögern, ihr zur Hilfe zu eilen, weil ein russisch-türkischer Krieg
a.) wahrscheinlich ein heftiges, aber kurzes Intermezzo wäre
b.) Russland die EU nicht angreifen würde
C.) Russland die USA nicht angreifen würde
d.) die unmittelbaren ökonomischen Kosten hoch, aber handhabbar wären für den Westen
e.) der Westen sein gesamtes ökonomisches, politisches und mediales Gewicht in die Waagschale werfen würde, um die Türkei zu zwingen, den Krieg zunächst unilateral zu beenden; der Westen als "Friedenstaube", die türkische Führung hätte eine öffentliche Exkulpation für die Innenpolitik.
Und wir haben hier nur über ein paar Aspekte gesprochen. Würde die EU zulassen, dass einer ihrer Top-Handelspartner einfach so wegfällt? Wie würden die Millionen TürkInnen in Europa und hunderttausende Flüchtlinge und weitere MuslimInnen im Westen reagieren? Wie würden die 20 Mio. MuslimInnen in Russland, zumeist TürkInnen, auf einen solchen Krieg reagieren?
=> Genau deshalb - und aus vielen weiteren, nicht angesprochenen Begründungen heraus - wird es trotz allem zu keinem Krieg kommen; wenn doch, dann wird er kurz und knapp sein.