Die Türkei nach Erdogan

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Alexander Zwo

Re: Die Türkei nach Erdogan

Beitrag von Alexander Zwo »

Bakelit » Fr 21. Mär 2014, 20:32 hat geschrieben:Zeigt doch etwas ganz Interessantes.

Es zeigt, dass die Kulturen, die nie von paternalistischen, autokratischen Strukturen los gekommen sind, deren sozio-politische Gesellschaftsstruktur auf hierarchischem Denken fußt, immer nur Führungspersönlichkeiten entwickeln, die irgendwann in das, was unter den Begriff " Größenwahn" weitläufig gefasst werden kann, fallen.

Der Ex-Buchhalter als jetziger Sultan ist doch prägnant für diese These.
Meinst Du denn, die Demokratur aus Brüssel ist besser, oder was? Und die handelt ja obendrein noch im Auftrag der US-Imperialisten, weil wir nur Kolonie von denen sind!!

Deutschland ist keinen Deut besser als die Türkei und bei aller Kritik an Erdogan ist doch klar, dass der mehr im Kopf hat als die Merkel!
Und in Russland ist nach dem Ende der Sowjetunion endlich wieder das nationale Selbstbewusstsein zurückgekehrt, solche Leute wie Jelzin, die Russland an den Westen ausverkauften, sind da nicht mehr in Mode!
Bakelit

Re: Die Türkei nach Erdogan

Beitrag von Bakelit »

Alexander Zwo » Fr 21. Mär 2014, 20:41 hat geschrieben: Meinst Du denn, die Demokratur aus Brüssel ist besser, oder was? Und die handelt ja obendrein noch im Auftrag der US-Imperialisten, weil wir nur Kolonie von denen sind!!

Deutschland ist keinen Deut besser als die Türkei und bei aller Kritik an Erdogan ist doch klar, dass der mehr im Kopf hat als die Merkel!
Und in Russland ist nach dem Ende der Sowjetunion endlich wieder das nationale Selbstbewusstsein zurückgekehrt, solche Leute wie Jelzin, die Russland an den Westen ausverkauften, sind da nicht mehr in Mode!
Du hast einen an der Waffel..Erdogan ist ein unterforderter Buchalter in seinem ganzen Wesen, der hat sich auf die Polit-Schiene geschmissen um seinem Herrn und sich selber mit dem Herrn die Pfründe zu sichern...so wie dein adoptierter Georgier seinen Weg durch die Nomenklatura mit Hilfe des KGB nach oben durchschritt und das gleiche Gebaren, wie der Schnäuzer von Ankara an den Tag legt...

Merkel hat da mehr zu bieten...zumindest in der Physik..im Bestechungs - Portefeuille allerdings nicht.

echt ;)
Marie-Luise

Re: Die Türkei nach Erdogan

Beitrag von Marie-Luise »

Lasst Erdogan und seine Chronies nur machen: Je mehr sie machen, desto mehr schwinden die Beitrittschancen.

Mit Interesse verfolge ich zudem jedesmal, wenn sie sich im Parlament schlagen. Echte Irre sind das, kein Benehmen, und so was will in die EU? Heaven forbid.
Alexander Zwo

Re: Die Türkei nach Erdogan

Beitrag von Alexander Zwo »

Marie-Luise » Sa 22. Mär 2014, 20:00 hat geschrieben:Lasst Erdogan und seine Chronies nur machen: Je mehr sie machen, desto mehr schwinden die Beitrittschancen.
Die Länder, die schon drin sind, sind auch nicht besser. Auch Deutschland nicht!

Wäre aber trotzdem besser, die Türkei tritt nicht bei und schließt sich lieber der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit an.

http://de.wikipedia.org/wiki/Shanghaier ... mmenarbeit
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Platon
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Re: Die Türkei nach Erdogan

Beitrag von Platon »

palulu » Do 27. Feb 2014, 01:32 hat geschrieben: Es gibt tatsächlich "nur" 2 elementar wichtige Probleme in der Türkei, die es primär zu lösen gilt; das eine ist innenpolitischer, das andere außenpolitischer Natur:

1. Kurdenfrage und 2. Zypernfrage - (fast) jedes nachfolgende Problem im Land hängt auf die eine oder andere Weise mit einem dieser zwei Konfliktbereiche zusammen.

Unter der Prämisse, dass der EU-Beitrittsprozess die Türkei nachhaltig demokratisiert und liberalisiert, müsste der Zypernkonflikt vorher gelöst werden. Nikosia ist bekanntlich Hauptblockierer (z.B. Kapitel über Grundrechte, Justiz und Rechtstaatlichkeit) und übt gewaltigen Einfluss auf Griechenland, das ebenfalls einige Verhandlungskapitel oder Teile davon suspendiert hat.

Die Lösung der Kurdenfrage würde nicht nur die türk. Demokratie nachhaltig konsolidieren, sondern erwartungsgemäß in fast der Hälfte des Landes einen Wirtschaftsboom auslösen, der - wenn er nur halb so stark wäre wie die Konjunktur der letzten Dekade - die Türkei auf tschechisches Gesamtniveau hieven könnte, was den Beitrittsprozess erheblich beeinflussen würde.

Jede einzelne Lösung der beschriebenen zwei Konflikte hat einen immensen Einfluss auf die türk. Demokratie sowie Ökonomie.

Meine 3 persönlichen (kurzfristigen) Interessen - wohl eher Wünsche - wären:

1. Neoliberalen Wirtschaftskurs beibehalten.
2. Austritt aus der NATO und Neutralitätserklärung (ich weiß, ist utopisch).
3. Entideologisierung des Staates.

Von den Kandidaten erwarte ich in erster Linie erfrischenden Pragmatismus und keine starre Ideologie, die das Land lähmt, und Toleranz gegenüber ALLEN Bevölkerungsteilen. Das schließt die große religiöse und nationale Mehrheit genauso ein wie die Minderheiten. Bizarrerweise werden beide vom Staat diskriminiert und dennoch unterstützen sie sich gegenseitig nicht gegen ihn, weil sie Angst haben, dass die eine Seite die andere endgültig ins Abseits drängen könnte. Die Türkei zu verstehen ist schon eine Kunst.
Ich denke, dass Erdogan den Weg geht den so viele Türkische "Paschas" vor ihm gegangen sind. In den ersten Jahren haben sie das Land nach vorne gebracht, irgendwann war ihre Zeit aber abgelaufen und sie wurden zunehmend autoritärer bis es irgendwann vorbei war. Wann es mit Erdogan vorbei ist muss man abwarten.

Ich denke, dass der sinnvollste Weg eine Nachfolgeregelung für Erdogan aus seiner eigenen Bewegung heraus wäre. Weil die gesellschaftliche Basis der gemäßigten Islamisten ist ja nach wie vor da. Am Besten wäre es, wenn die AKP irgendwann eine empfindliche Schlappe einsteckt und dann von einer charismatischen Figur aus den eigenen Reihen herausgefordert und gestürzt wird.

Einen Austritt aus der NATO würde ich mir nochmal überlegen, vor allem solange die Lage in Syrien so bleibt wie sie aktuell ist.
Zuletzt geändert von Platon am Do 27. Mär 2014, 16:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Platon
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Re: Die Türkei nach Erdogan

Beitrag von Platon »

Ankara (dpo) - Offenbar ist der Feldzug des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen die zunehmend kritischen Berichte im Internet gegen ihn noch lange nicht zu Ende. Nach dem landesweiten Verbot von Twitter in der Türkei wendet sich sein Augenmerk nun Computertastaturen zu: Mit sofortiger Wirkung ist türkischen Internetnutzern das Tippen der Buchstaben E, R, D, O, Ğ, A und N untersagt. Offenbar will Erdoğan damit verhindern, dass im Netz weiterhin Beschuldigungen gegen ihn online gestellt werden oder sein Name im Zusammenhang mit Korruption genannt wird.

"Untersuchungen haben ergeben, dass diese Buchstaben in nahezu 100% aller heimtückischen Angriffe gegen mich auf Twitter, Facebook und anderen gefährlichen Webseiten verwendet wurden", gab er am Montag auf einer Wahlveranstaltung im Westen des Landes bekannt. Das zeige zweifelsfrei, dass seine Kritiker offenbar alle unter einer Decke stecken. "Doch damit ist nun Schluss!", verkündete er vor jubelnden Anhängern.[...]
http://www.der-postillon.com/2014/03/er ... g-der.html

:thumbup: :D :D
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palulu
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Re: Die Türkei nach Erdogan

Beitrag von palulu »

MG-42 » Do 27. Feb 2014, 01:46 hat geschrieben:
Erstmal vielen Dank für die ausführliche Antwort.

zu deinen Wuenschen.

1. insgesamt ging es der Tuerkei dank der Anbindung an der EU wirtschaftlich sehr gut, das Macht Sinn den Kurs beizubehalten. Der kranke Mann hat durchaus Muskeln wachsen lassen.
Das leugnet auch niemand. Selbst in der Türkei nicht. Aber das Land ist heute eben anders als in den 90er Jahren. Die Zollunion mit der EU hemmt türkische Exporte und vergrößert das Leistungsbilanzdefizit.
2. Die Nato mag nicht immer im Interesse der Tuerkei handeln, als Mitglied hat man Rechte, die die Tuerkei wahrscheinlich eher hilfreich sind, als neutraler waere der Einfluss geringer aus meiner Sicht.
Kurz- und mittelfrsitig, ja. Aber langfristig? Darüber lässt es sich vorzüglich streiten. Rein aus der Perspektive der Türkei betrachtet, wäre der Nato-Austritt dann sinnvoll, wenn Ankara weiterhin auf westliche Militärtechnologie Zugriff hat. Im Falle eines Austritts wird der Zugang zu dieser Technologie allerdings automatisch begrenzt werden. Nicht-Nato-Staaten können viele Waffensysteme nicht käuflich erwerben im Westen. Sofern China oder Russland ihre Rüstungsindustrie weiterhin in diesem Tempo modernisieren, wird sich für Ankara so oder so eine Alternative auftun.

Du darfst nicht vergessen, dass sich die Interessen der Türkei und des Westen in den letzten 10 Jahren eher auseinander statt zueinander entwickelt haben. Das Engagement Ankaras in Nordafrika wird von Frankreich genauestens beobachtet. In Syrien haben die USA enttäuscht, im Irak die Sicherheit der Türkei sogar gefährdet. Durch die Iran-Sanktionen entgehen der Türkei jedes Jahr Milliarden-Exporterlöse. Entsprechend tiefrot ist der Handel mit dem Iran zu Lasten der Türkei, denn die USA erlauben aufgrund der Wirtschaftsabhängigkeit den Import von Energie aus der islamischen Republik, aber den darüber hinausgehenden Handel mit Waren und Dienstleistungen verbieten sie. Das schadet der Wirtschaft im Osten der Türkei, ausgerechnet die ärmste Region des Landes. Der Zentralregierung entgehen Steuereinnahmen; die Arbeitslosigkeit in diesem Gebiet ist weiterhin hoch. Es ist auch zu erwarten, dass der Iran-Handel positive Auswirkungen auf die Kurden in jenem Landesteil hätte, sie wären wohl die ersten Profiteure, was das Land im Allgemeinen stabilisieren würde. Dass das geht und keine spekulativen Annahme meinerseits ist, zeigt der lebendige Irak-Handel.

Es gibt auch weitere Konfliktpunkte. Jetzt, wo Putin die Krim an sich gezogen hat, wird man in Brüssel, Paris und Berlin die Energievorkommen vor Zypern noch schneller erschließen wollen. Das Gleiche gilt auch für Griechenland. Ohne eine Einigung im Zypern- und Ägäiskonflikt wird dies zu einer direkten, im schlimmsten Fall militärischen Konfrontation führen. Wir reden hier über die elementarsten Interessen der Türkei.

Hinzu kommt aber, dass das Land ein game changer ist. Was wäre wohl in Europa los, wenn man anstelle amerikanischer Nuklearwaffen im Süden des Landes, chinesische in der Westtürkei stationieren würde oder bloß laut darüber nachdächte? Das klingt im Moment sehr utopisch - das ist es auch, sofern ein potenzieller Austritt aus der Nato friedvoll geschieht. In keinem anderen Nato-Staat ist die Zustimmung zur Mitgliedschaft so niedrig wie in der Türkei. Eine international anerkannte Neutralität würde am Bosporus bei jeder Volksbefragung eine Mehrheit erlangen.

Aber, warum will ich überhaupt, dass die Türkei austritt? Ganz einfach: das ist eine Kosten-Nutzen-Analyse und Projektion für die Zukunft, nicht die Gegenwart. Eine Türkei, die sich auf der weltpolitischen Gegenseite positionieren könnte, hat vielmehr Einflussmöglichkeiten im Westen als die Nato-Mitgliedschaft hergibt, sofern die oben angesprochenen Bedingungen erfüllt sind.
3. Was versteht du darunter?
Dass der Kemalismus als Staatsideologie aufgehoben wird.
Die Kurden, was waere denn die optimale Loesung aus deiner Sicht des Kurdenproblems, es scheint die Regierung versucht den Einfluss von radikalen Kurdengruppen ausserhalb der Tuerkei durch eine mehr tolerante Kurdenpolitik zu minimieren,
Wenn feststeht, dass Syrien und der Irak endgültig verloren sind, dann wird die Türkei alles in ihrer Macht stehende daran setzen, ein pro-türkisches Kurdistan oder Defacto-Staat als Pufferzone an der Südgrenze zu unterstützen. Das tut sie bereits im Nordirak. Die Aufnahmen, die jetzt aufgetaucht sind, kann man auch dahingehend interpretieren. Viele vergessen auch, dass die türk. Regierung zu allen kurdischen Parteien Verbindungen unterhält. Selbst zur PKK und viel stärker noch zur syrischen PYD, mit der sie sich schon mal über das Thema Autonomie unterhielt.
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