Skeptiker hat geschrieben:(17 Mar 2018, 23:02)
Also ich möchte hier garnicht Putin verteidigen, aber die Situation ist schon etwas komplexer als "Land A möchte gern ein Teil von Land B haben".
Das ist die unkomplexe Situation nach internationalem Recht. Sicherlich gibt es Motive für diese Tat, wie für jede Tat. Gilt das denn nicht ebenso für Georgien, die Republik Moldau oder überhaupt für alle Fälle dieser Art ?
Für Russland hat sich durch den Fall der Regierung Janukowitsch (wodurch der zustande kam, lass ich hier mal außen vor) und der Machtübernahme von antirussischen Gruppen, welche klar eine schnelle NATO-Eingliederung gefordert haben, eine entweder oder Situation gegeben.
Bin jetzt nicht ganz sicher, aber glaube, es gibt bis heute keine eindeutige Mehrheit in der Bevölkerung für einen NATO-Beitritt.
Vor der Okkupation war aber ohnehin auch eine völlig andere Situation gegeben. Für Viele machte die Neutralitätspolitik Sinn, zumal die Budapester Garantie den ewigen Frieden zu gewährleisten schien. Erst nach der Okkupation und mit der schockierenden Erfahrung des Krieges an der sog. Kontaktlinie erhob der Staatspräsident zurecht die Stimme und fragte, ob die Budapester Garantie denn geholfen habe ? Oder die OSZE ? Oder die UNO ? Was könne dem Land Sicherheit geben, wenn nicht die NATO.
1. Alternative: Man interveniert nicht. Dann gibt es einen schnellen NATO-Beitrittsprozess und ein paar Monate später amerikanische Soldaten an Russlands Landesgrenze. Zudem wäre Sevastopol unmittelbar auf NATO-Gebiet, was bedeutet, dass die Schwarzmeerflotte gezwungen wird entweder auf NATO-Gebiet stationiert zu sein (wie kompliziert das auch sein mag ...), oder aber sich einen neuen Hafen zu suchen.
Das Truppenstationierungsabkommen war für beide Seiten von Vorteil. Die Ukrainer bekamen einen Gasrabatt dafür. Und niemand hat diese Truppenstationierung überhaupt in Frage gestellt. Es gab ja auch schon mal einen Regierungswechsel in Kiew. Es sei an die Orangene Revolution erinnert, die galt ebenfalls als wenig kremlfreundlich.
Da hat man nicht interveniert.
2. Alternative: Man interveniert. Man schafft einen dauerbrodelnden Konfliktherd und holt die Krim wieder in russisches Staatsgebiet zurück (welches es übrigens bis zum Ukrainer Chruschtschow war, bis der in der SU interne Verwaltungsgrenzen veränderte und damit der Ukraine zur Krim verhalf - Jelzin wird noch immer verachtet dafür, dass er das nicht revidiert hat zu einem Zeitpunkt an dem man es hätte tun können).
Die Krim ist als Autonome Republik ukrainisch, davor war sie sowjetukrainisch, irgendwann mal zarenrussisch auf Dekret der deutschen Prinzessin hin, sehr lange Zeit byzantinisch und allerlei. Wenn man die Grenzen Europas auf diese Art neu verhandeln will, müsste man sehr, sehr alte Karten aufschlagen und womöglich bei der Bandkeramikerkultur beginnen.
1991 ist die Ukraine inklusive der Krim durch ein freies Referendum unabhängig geworden.
Man hat interveniert, ja. Und dafür zahlt man den Preis.
Heißt also, entweder würde Russland Interessen massiv geschadet werden, incl. dem Risiko einer direkten Auseinandersetzung um den Standort der Schwarzmeerflotte, ODER er ist der Bad Boy, der sich über das Völkerrecht stellt und die Region in einen Konfikt zieht.
Jetzt schadet der Krieg den Interessen der Ukraine, obwohl sie im Recht ist.
Man muss die Entscheidung nicht gut finden, aber ich kann nachvollziehen, dass Putin sich für diese Variante entschieden hat. Klar auch, dass der Westen das ausnutzt um Russland und Putin eifrig zu dämonisieren. Dafür ist mir das aber alles zu rational. Dämonen sind einfach böse. Das will man uns gerne Glauben machen, das ist aber nicht so.
Nachvollziehbar ist das schon, insbesondere dein Text entspricht sozusagen einem weitgehenden Geständnis. Wir wollen auch gar nicht dämonisieren, aber es sollte uns doch bewußt sein, dass das Aggressionsverbrechen gem. dem Römischen Statut - und um genau das handelt es sich hier - zu den eher schwereren Verbrechen im Völkerrecht zählt, neben Kriegsverbrechen und Genozid.
Und welche Nachteile ein Überfall von Land A auf Land B für die Zivilisation mit sich bringen kann, darüber brauchen wir vermutlich erst gar nicht lange zu philosophieren. Einfach gesagt, Krieg ist verwerflich. Die Genfer Konvention, die UN-Charta, das Römische Statut und all das, das sind nicht nur Spitzfindigkeiten, sie resultieren letztlich aus der Praxis von Katastrophen und humanitären Extremlagen.