Russland: Feindbild, Trugbild, Abbild?
Bei einer Russland-Debatte mit Fachleuten in Hannover gab es spannende Diskussionen, aber auch unversöhnliche Konfliktlinien
Hier mal ein paar ausschnitte
Mit Merkel sank die deutsche Beliebtheit
Doch die Beliebtheit der Deutschen habe seitdem abgenommen, sagte Pörzgen. Heute herrsche ein eher diffuses Bild vor. Viele Russen wünschten sich mehr kritische Distanz Deutschlands zu den USA und beklagten die häufig moralisch begründete Kritik sowie die Doppelstandards deutscher Medien und Politiker.
Zwischen Wladimir Putin und Gerhard Schröder habe Herzlichkeit geherrscht - Angela Merkel und Guido Westerwelle hingegen hätten Putin kalt zurückgewiesen. "Man könnte sich nie vorstellen, dass Merkel und Putin sich umarmen", so der Zuhörer vom Deutsch-Russischen Forum. "Mit Obama umarmt sie sich ganz selbstverständlich."
Journalistische statt eigene Eindrücke
Vielen Russen fehle ein Deutschlandbild aus eigener Ansicht, betonte die Journalistin. Nur rund sieben Prozent der Russen - was immerhin rund zehn Millionen Menschen sind - seien selbst schon in Deutschland gewesen. Die Zahl russischer Touristen, die nach Deutschland kommen, nehme rapide ab.
Umso wichtiger seien die Berichte der russischen Medien aus der Bundesrepublik. Doch über diese Quellen erhielten die Russen nur wenige brauchbare Informationen, kritisierte Pörzgen. Es gebe kaum unabhängige russische Journalisten hierzulande. Vielen privaten Medien fehle das Geld, ein Korrespondentennetzwerk zu unterhalten.
So bestimmten russische Staatsmedien das Deutschlandbild. Und diese verzerrten es Pörzgen zufolge extrem. "Sie tun so, als würde Deutschland von Flüchtlingen überlaufen. Wagenknecht und Gauland werden als Politiker dargestellt, die Angela Merkel ablösen können." Viele Berichte seien außerdem oberflächlich und von schlechter journalistischer Qualität
Deutliche Kritik an deutschen Kollegen
Pörzgen kritisierte aber überraschend deutlich auch deutsche Medien: Diese sollten sich über die schwache journalistische Qualität russischer Medien nicht allzu laut echauffieren, denn auch hier seien wegen der Aktualitätsanforderungen durch das Internet immer mehr oberflächliche, schnell zusammengestückelte und fehlerhafte Beiträge festzustellen. Zudem kritisierte sie, die Gleichsetzung Russlands mit seinem Präsidenten. "Russland wird von deutschen Journalisten immer personalisiert. Es ist immer Putin oder früher Jelzin oder Gorbatschow."
Hiesige Journalisten sehen auch zu stark mit der (west-)deutschen Brille auf russische Verhältnisse, sagte Pörzgen weiter. "Die 1990er Jahre in Russland werden hier beispielsweise als Freiheitsjahre betrachtet. Der wirtschaftliche Abstieg und die Verarmung breiter Massen in dieser Zeit werden nicht gesehen."
Deutsche Journalisten machten sich häufig über PR-Bilder Putins lustig, die ihn mit freiem Oberkörper in der Natur zeigten. Doch aus russischer Sicht sei es nachvollziehbar und sehr wichtig gewesen, den Staatschef als gesunden, kräftigen Mann zu zeigen. Denn von vielen anderen Politikern kannte man eher Gegensätzliches: "Jelzin war Alkoholiker, Breschnew war zum Ende geistig nicht mehr beisammen und Tschernomyrdin hat immer gehustet, als wenn er gleich stirbt."
Die Ukraine gibt es heute nicht mehr
Folge dessen war der Maidan und der Putsch gegen den gewählten Präsidenten, erläuterte Hofbauer. "Die Ukraine ist zerfallen. Man sagt zwar heute noch 'Ukraine', aber de facto ist der Staat zerbrochen und nicht mehr existent." Dies sei in allererster Linie Folge der "unseligen Expansion der EU".
Gemma Pörzgen warf ein, Janukowitsch sei der Hauptschuldige am Maidan. Dies sei falsch, erwiderte Hofbauer. Wenn der gewählte Präsident etwas im Rahmen seiner Befugnisse entscheide, und dabei auch noch vom Parlament unterstützt werde, dann könne Brüssel nicht einfach sagen: "Das gilt nicht." Wer sage, Janukowitsch habe die Schuld, argumentiere hier nicht mehr auf dem Boden des Rechts, sondern einfach nur ideologisch.
Russische Unterstützung rechter Parteien? Nur ein Abbild des Westens
Zu Binners Vorwurf, die russische Präsidialadministration unterdrücke ausländische NGOs, sagte Hofbauer, viele dieser Gruppierungen seien in Wirklichkeit GOs, weil sie von westlichen Regierungen finanziert würden und eben nicht alle harmlose zivilgesellschaftliche Arbeit machten. Wenn Russland sich gleichzeitig rechten Parteien in EU-Ländern annähere, sei dies letztlich auch nur ein Spiegelbild des Westens. "In der Ukraine und Russland unterstützen 'wir' doch auch Rassisten und Nationalisten, weil sie gegen Putin sind und 'wir' bejubeln Chodorkowskij - ein Mann, der über Leichen ging."
Auch später erinnerte Hofbauer mit einem Beispiel nochmal an westliche Instrumentalisierung: Der Boykott Obamas, Merkels und Gaucks der Olympischen Winterspiele im Februar 2014 in Sotschi wurde mit schwulenfeindlicher Gesetzgebung in Russland begründet. Vor Minderjährigen dürfe dort nicht positiv über Homosexualität gesprochen werden. "Ein schlimmes Gesetz", sagte Hofbauer.Zwölf Jahre zuvor jedoch bei den Olympischen Winterspielen im US-Mormonenstaat Utah sei niemand aus dem Westen weggeblieben, obwohl dort damals gleichgeschlechtlicher Sex sogar gesetzlich verboten war.
Extreme Russenfeindlichkeit in Polen
Der polnische Historiker Dariusz Adamczyk sprach anschließend über die Perspektive Polens als größtem Land zwischen Deutschland und Russland. Was die deutsch-polnische Interessenlage angehe, gebe es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten, so der Wissenschaftler. Lediglich bei der Sanktionspolitik gegen Russland gebe es noch Übereinstimmung zwischen Berlin und Warschau.
Adamczyk sprach die extreme Russlandfeindlichkeit im heutigen Polen an. Bei einer Umfrage antworteten kürzlich 80 Prozent auf die Frage "Magst Du Russen?" mit "nein". Laut dem konservativen Politiker Jarosław Kaczyński sei Russland eine massive Gefahr für Mitteleuropa. "Das ist eine paranoide Vorstellung", kritisierte Adamczyk. "Die Leute schalten beim Thema Russland ihr Gehirn ab." Selbst seröse polnische Journalisten dächten darüber nach, wie es sein werde, wenn Russland Atombomben auf Warschau abwerfe. "Das ist albern." Wenn ein baltischer Staat mit großer russischer Minderheit Angst vor Russland hat, könne Adamczyk dies weitaus eher verstehen.
Auch das polnische Verhältnis zur Ukraine war Thema: Die derzeitige national-konservative Regierung Polens sei sich in diesem Verhältnis selbst unsicher, sagte Adamczyk. Zwar sei sie grundsätzlich auf der Seite jedes Russlandgegners - deswegen stehe sie zur derzeitigen ukrainischen Staatsführung. Andererseits säßen in Kiew auch einige Faschisten im Parlament. Ukrainische Straßen werden heute nach Nationalisten benannt, die während des Zweiten Weltkriegs zehntausende Polen in der heutigen Westukraine umbrachten und hunderttausende vertrieben. Beteiligte UPA-Partisanen wurden pauschal zu Helden der Ukraine erklärt. Mit diesen nationalistischen Haltungen in der Ukraine hätten die polnischen Nationalisten natürlich Probleme.
Der polnische Wissenschaftler kritisierte zudem die Behauptung der Regierung in Warschau, mit rund einer Million Ukrainern bereits ein riesiges Flüchtlingskontingent aufgenommen zu haben. Deshalb dürfe Polen nicht auch noch Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufnehmen, so die Logik. "Die Ukrainer in Polen sind aber gar keine Flüchtlinge mit Asylstatus", kritisierte Adamczyk. "Das sind billige Arbeitskräfte die meistens sogar noch schwarzarbeiten."
https://www.heise.de/tp/features/Russla ... ml?seite=5
Hier sieht man das Problem zwischen OST und WEST.
Doppelmoral, Ahnungslosigkeit, Überheblichkeit, Paranoia, Propaganda trifft hier ganz gut um es zu beschreiben. Leider in ost so wie in West. Bestes Beispiel war das Olympia Szenario
"Auch später erinnerte Hofbauer mit einem Beispiel nochmal an westliche Instrumentalisierung: Der Boykott Obamas, Merkels und Gaucks der Olympischen Winterspiele im Februar 2014 in Sotschi wurde mit schwulenfeindlicher Gesetzgebung in Russland begründet. Vor Minderjährigen dürfe dort nicht positiv über Homosexualität gesprochen werden. "Ein schlimmes Gesetz", sagte Hofbauer.Zwölf Jahre zuvor jedoch bei den Olympischen Winterspielen im US-Mormonenstaat Utah sei niemand aus dem Westen weggeblieben, obwohl dort damals gleichgeschlechtlicher Sex sogar gesetzlich verboten war."
Da sieht man es wie doppelzügig man ist im Westen