Du spielst auf Chodorkowski an. Fakt ist, dass er nur aufsteigen konnte, weil es zu seiner Zeit keinen Rechtsstaat gab und er einst staatliches Eigentum extrem unter Wert kassiert hatte. Putin kann theoretisch jeden, der damals ein Vermögen gemacht hatte, enteignen. Das geht aber nicht, weil das auf die Wirtschaft negative Auswirkungen haben würde. Außerdem wäre Chodorkowski nach einer Volksabstimmung wesentlich schlimmer dran gewesen. Sein Überglück, dass Russland nicht wie die Schweiz ist. Die Mehrheit der Bevölkerung war damals für seine Hinrichtung. Ist auch nachvollziehbar, weil in den 90ern die Mehrheit der Bevölkerung wegen den Privatisierungen viel verloren hatte.Wildermuth hat geschrieben:(07 Jun 2016, 21:55)
Mafia halt. Wer es sogar in russland schafft, eine gute firma aufzubauen, trotz mega-korruption und extrem bürokratie, dem wird sie vom geheimdienst oder anderen untersektionen der russenmafia abegenommen. Wer sich nicht wehrt, rettet das leben seiner familie.
Rechtsstaat ist anders.
Nur ist ja auch z.b. china ein staat mit kriminellen strukturen an der spitze. Viele ausländische firmen ziehen sich nach einige zeit enttäuscht zurück... trotzdem... die bringen das besser auf die reihe als die russen. Haben ein wachsende, starke wirtschaft und auch eigene marktführer wie z.b. huawai. Auch das durchschnittseinkommen in china liegt deutlich über dem russischen.
Russland ist nicht nur kein rechtsstaat, es ist auch innerhalb der extrem korrupten gesellschaften ein wirtschaftlicher versager.
Putin sei dank, geht es den oligarchen sehr gut.
„Andererseits war Soros nicht ganz mit Tschubais` Herangehensweise einverstanden. Der arrogante, brüske Vizepremier war nicht nur der Erzfeind der Kommunisten. Er war ein radikaler Anhänger der freien Marktwirtschaft, davon überzeugt, dass Gesetz und Ordnung der wirtschaftlichen Freiheit von ganz allein folgten. Seiner Meinung nach regelten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse von selbst, sobald die Wirtschaft geöffnet wurde. Soros hingegen entsetzten die hässlichen Konsequenzen dieser Art von ungebändigtem Kapitalismus. […] Soros, der in Davos eine Art Guru-Status genoss, reagierte darauf, indem er die neuen russischen Kapitalisten als >>Räuberbarone<< bezeichnete. >>Ich hatte gehofft, es würde einen geordneten Übergang zu einer offenen Gesellschaft geben. Zu einer marktorientierten Demokratie, die auf einem Rechtssystem basiert<<, klagte er. >>Dieser Versuch ist gescheitert. Und das neue System, dessen Entstehung wir beobachten können, heißt Raubtierkapitalismus.<< … Das Problem sei jedoch, >>dass dieses System ein sehr starkes Gefühl sozialer Ungerechtigkeit und den Verfall der Werte einer zivilisierten Gesellschaft nach sich zieht, was in Frustration und Orientierungslosigkeit mündet. Die Folgen sind politische Instabilität und eine fremdenfeindliche, nationalistische Stimmung in der Bevölkerung.<<“
Alex Goldfarb, Marina Litwinenko: Tod eines Dissidenten - Warum Alexander Liwinenko sterben musste, Hamburg 2007, S. 67ff
„Tschubais selbst erklärte seine Entscheidung später folgendermaßen: >>1996 hatte ich die Wahl zwischen einer Machtübernahme durch die Kommunisten oder einem russischen Raubtierkapitalismus. Ich entschied mich für den Raubtierkapitalismus.<< Tschubais wählte eigenhändig ein Dutzend Bankiers aus, von denen er wusste, dass sie den Kommunisten nicht nachgeben würden. Diesen Bankiers bot er im Austausch für alles Bargeld, das sie auftreiben konnten, Russlands Kronjuwelen an: Gas, Mineralien und Teile der industrieellen Infrastruktur. Die Kredite für die Regierung wurden durch Aktienanteile an den Unternehmen abgesichert. … Diese Kredite-gegen-Aktien-Versteigerungen betrafen insgesamt zwölf Unternehmen. Sechs Ölfirmen, drei Fabriken und drei Transportunternehmen. Sie erbrachten 1,1 Milliarden Dollar für die Regierung. Die glücklichen Räuberbarone durften sich danach zu den reichsten Männern der Welt zählen - vorausgesetzt, sie konnten auch nach der Wahl an ihren Vermögenswerten festhalten. […] Der dreiundvierzigjährige Gussinski, ein ehemaliger Theaterdirektor, gehörte zur Spitze der jüdischen Gemeinde Moskaus. Er war eine Zeit lang der reichste Mann Russlands gewesen, bis das >>Kredite-gegen-Aktien<<-Programm der Regierung eine neue Spezies noch reicherer Oligarchen schuf.“
Alex Goldfarb, Marina Litwinenko: Tod eines Dissidenten - Warum Alexander Liwinenko sterben musste, Hamburg 2007, S. 75, 82
„Als Boris Jelzin 1991 an die Macht gelangte und sofort die Auflösung der ehemaligen UdSSR in die Wege leitete, setzte er seine Reformen entschlossen und rücksichtslos in die Tat um. Er schaffte die staatliche Preisbindung ab, löste Einfuhrsperren auf und rief ein rasantes Privatisierungsprogramm ins Leben. Im Zuge dieser vier Jahre dauernden >>Schocktherapie<< schaffte sein wichtigster Berater, der Wunderknabe der russischen Wirtschaft Anatoli Tschubais, das Unmögliche: Er versteigerte und privatisierte mehrere Zehntausend Staatsbetriebe, überführte mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte in den privaten Sektor und bewahrte trotz alldem die Wirtschaft irgendwie davor, in die unkontrollierte Inflation abzugleiten. Aber für diese Erfolge zahlte die Bevölkerung einen hohen Preis. Die Kaufkraft der verarmten Schichten war unzureichend, und die Kürzung staatlicher Subventionen brachte ganze Wirtschaftszweige zum Erliegen. … Millionen Russen vielen unter die Armutsgrenze. Beamte und Lehrer, Ärzte, Regierungsbeamte und Polizisten bekamen oft monatelang kein Gehalt. Niemand kümmerte sich um Steuerzahlungen, da die Finanzbehörde gerade erst eingerichtet wurde. (Im Sowjetsystem hatte es keine Steuern gegeben). Die Verbrechensrate stieg steil an. Die Akademiker in den Universitäten und Forschungslaboren verloren den Glauben an die Demokratie. Die Armee murrte. Kapitalismus und freie Marktwirtschaft verloren ihren Reiz. Immer mehr Russen verklärten nostalgisch die gute alte UdSSR.“
Alex Goldfarb, Marina Litwinenko: Tod eines Dissidenten - Warum Alexander Liwinenko sterben musste, Hamburg 2007, S. 49f